Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

§ 52. Willenserklärung u. stille Willensäußerung. Empfangsbedürftigkeit. 157 
C. das Testament und die Wertpapiere A.s an# sich, ohne irgend jemandem etwas davon zu 
sagen, in der Hoffnung, dadurch der Erbschaftssteuer und etwaigen lästigen Verhandlungen 
mit B. zu entgehn, verkauft die Wertpapiere und legt den Erlös in Hypotheken auf seinen 
eignen Namen an. Hier ist kein Zweifel, daß C. durch dieses sein Verhalten die Erbschaft 
A.3 angenommen hat. Und diese Annahme ist trotz ihrer Heimlichkeit vollgültig! C. kann 
sie also nicht mehr widerrufen. 2. Nun ändre man den Fall dahin, daß A. in seinem 
Testament seinen Verwandten B. als Erben eingesetzt, aber seine Wertpapiere dem C. als 
Vermächtnis zugewendet hat, und C. sich nun in derselben Art verhält, wie zu 1. geschildert. 
Hier ist kein Zweisel, daß C. das Vermächtnis ebenso hat annehmen wollen wie zu 1. die 
Erbschaft. Die Annahme ist aber ungültig, weil sie nicht gegenüber B. „erklärt“ ist; C. 
kann sie also nach Belieben widerrufen. II. 1. Empfangsbedürftig ist die Kündigung. 
Hieraus ergeben sich, wenn man den Fall zugrunde legt, daß D. befugt ist, eine ihm von 
E. vermietete Wohnung mit halbjähriger Frist zu kündigen und von diesem Recht auf den 
1. Oktober 08 durch einen Kündigungsbrief Gebrauch machen will, folgende Regeln. a) D. 
muß den Kündigungsbrief an E. oder an dessen Vertreter adressieren; es wäre also nicht 
genügend, wenn D. etwa einen Brief an die Adresse eines Sohnes des E. schriebe und 
diesem Brief, der im übrigen sich nur mit rein persönlichen Angelegenheiten des jungen E. 
befaßt, als Postskriptum (ohne anzudeuten, daß der Brief von hier ab nicht mehr an den 
jungen, sondern an den alten E. gerichtet sei) die Kündigung hinzufügte. b) D. muß den 
Brief nicht bloß an E.s Adresse schreiben, sondern auch an E.s Adresse absenden; es wäre 
also nicht genügend, wenn ein gemeinsamer Bekannter von D. und E. den Brief zufällig 
gelesen und dem E. den Inhalt wortgetreu mitgeteilt hätte, während der Brief selber aus 
Versehn bei D. liegen geblieben ist. c)h D. muß den Brief nicht bloß abgesendet haben, 
sondern der Brief muß auch bei E. eingetroffen sein; es wäre also nicht genügend, wenn 
E. in der eben genannten Art von dem Inhalt des Briefs Kenntnis erlangt hätte, während 
der Brief selbst richtig abgesendet, aber durch Nachlässigkeit des Briefträgers statt an E. an 
F. ausgeliefert und von diesem vernichtet worden ist. d) D. muß nicht bloß dafür Sorge 
tragen, daß der Brief überhaupt bei E. ankommt, sondern auch dafür, daß dies spätestens 
am 1. April C8 geschieht, da ja der Brief erst mit seiner Ankunft bei E. wirksam wird (130); 
es wäre also nicht genügend, wenn D. den Brief am 31. März 08 absendete, während die 
Ankunft des Briefs, vielleicht gleichfalls infolge der Nachlässigkeit eines Briefträgers, erst am 
4. April 08 erfolgt. 2. Nicht empfangsbedürftig ist das Testament.) Daraus ergeben sich, 
wenn man den Fall zugrunde legt, daß der am 1. Juli 08 verstorbene G. im Jahr 01 
den H. testamentarisch zum Alleinerben eingesetzt, drei Jahre später aber ein neues Testament 
errichtet hat, in dem unter Aufhebung des alten Testaments als Alleinerbe statt des H. J. 
berufen ist, für das zweite Testament folgende Regeln. a) Es ist gleichgültig, ob G. das 
Testament an H. oder an J. oder an einen Sohn J.s oder an den Ortspfarrer adressiert 
oder ganz ohne Adresse läßt. b) Es ist nicht nötig, daß G. das Testament an irgend 
jemanden absendet, sondern er kann es einfach auf seinem Schreibtisch liegen lassen. Ja er 
kann es sogar künstlich verstecken, vielleicht aus Angst vor der Neugier seines Dienstmädchens. 
Nur darf er die Heimlichkeit selbstverständlich nicht so weit treiben, daß er die Entdeckung des 
Testaments absichtlich auch nach seinem Tode zu hindern sucht“; denn täte er dies, so würde 
er damit bekunden, daß er das, was in seinem Testament verordnet ist, vielleicht „wünscht“, 
aber doch nicht endgültig „will“. Eben hierdurch zeigt sich auch, daß das Testament nicht 
etwa als „stille“ Willenserklärung (oben a #8) aufzufassen ist, sondern, so heimlich es errichtet 
werden mag, dennoch eine echte „Willenserklärung“ (oben a a) darstellt. c) Es ist nicht 
nötig, daß das Testament an irgend eine Adresse tatsächlich gelangt. Vielmehr ist das 
Testament vollgültig, auch wenn es niemandem außer G. selbst zu Gesicht gekommen ist; 
es ist z. B. noch bei Lebzeiten G.s verbrannt, ehe irgend jemand es gesehn hat, G. hat 
aber dem zur Sache völlig unbeteiligten L. glaubhafte Mitteilungen über Form und Inhalt 
des Testaments gemacht. d) Es ist für die Wirksamkeit des Testaments unerheblich, zu 
welcher Zeit es an irgend eine Adresse gelangt oder zu welcher Zeit sein Inhalt irgend 
3) Abw. Manigk S. 329. 4) Manigk S. 330. 
 
	        
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