Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

8 57. Einseitige Rechtsgeschäfte beschränkt geschäftsfähiger Personen. 189 
jene Möbelanschaffungen des H. trotz der Barzahlung ungültig; denn G. hat ihnen nicht zu- 
gestimmt. 
Für den Fall, daß die Entmündigung wegen Geistesschwäche, Verschwendung oder 
Trunksucht auf Grund einer Anfechtungsklage aufgehoben wird, gilt dieselbe Vorschrift wie 
für den entsprechenden Fall bei der Entmündigung wegen Geisteskrankheit. 15 Eine ähnliche 
Regel gilt bei der Beendigung einer vorläufigen Vormundschaft (115 I.). 
c) Die dritte Hauptregel lautet: ein lästiges einseitiges Rechts- 
geschäft kann eine beschränkt geschäftsfähige Person nur mit Zustimmung 
ihres Gewalthabers gültig vornehmen, ohne Rücksicht darauf, ob die Gegen- 
partei gewußt hat oder hätte wissen müssen, daß sie es mit einer beschränkt 
geschäftsfähigen Person zu tun hatte; die Zustimmung kann nur im voraus 
erklärt werden, ist also immer „Einwilligung“, nie „Genehmigung"“ (111). 
a) Für die Zustimmung des Gewalthabers zu einem einseitigen lästigen 
Rechtsgeschäft seines Pflegebefohlenen gelten im allgemeinen dieselben Regeln 
wie für die Zustimmung, die er den lästigen Verträgen seines Pflegebefohlenen 
im voraus erteilt, während alle Regeln, die nur für seine nachträgliche Zu- 
stimmung zu diesen Verträgen gelten, selbstverständlich unanwendbar sind. 
6) Doch gilt eine wichtige Besonderheit: seine Zustimmung bedarf insofern 
einer Form, als sie, wenn das Hauptgeschäft empfangsbedürftig ist, entweder 
von dem Pflegebefohlenen vor oder bei Vornahme des Rechtsgeschäfts der Gegen- 
partei in schriftlicher Form vorgelegt oder vor Vornahme des Rechtsgeschäfts 
von dem Gewalthaber selbst der Gegenpartei angezeigt werden muß (111) 
ingleichen muß, wenn die Zustimmung des Gewalthabers eine Genehmigung 
von Gegenvormund, Beistand oder Vormundschaftsgericht bedarf, diese Ge- 
nehmigung der Gegenpartei spätestens bei Vornahme des Rechtsgeschäfts in 
schriftlicher Form vorgelegt werden (s. 1831, 1832, 1690 I, 1643 III). Indes 
hat die Verletzung dieser Formvorschriften die Nichtigkeit der Zustimmung 
und damit auch des Hauptgeschäfts nur zur Folge, wenn die Gegenpartei das 
Hauptgeschäft wegen des Formverstoßes unverzüglich zurückweist (s. die obigen 
Gesetzesstellen). 
Beispiele. I. Der geistesschwache A. ist von B. durch arglistige Täuschung bestimmt, 
ihm am 1. Okt. 07 ein Haus zu verkaufen; am 5. Okt. entdeckt A. den Betrug, ist aber zu 
indolent, um etwas gegen B. zu unternehmen; erst am 2. Okt. C8, als B. auf Ersüllung des 
Kaufvertrages drängt, erklärt ihm A., daß er den Kauf anfechte: inzwischen ist nun A. wegen 
seiner Geistesschwäche am 30. Sept. 08 entmündigt worden, und C. ist ihm zum Vormunde 
bestellt. Hier ist die Ansechtung A.s ungültig und bleibt es auch dann, wenn C. ihr 
noch vor dem Ende der Anfechtungsfrist nachträglich zustimmt. Dem A. kann also nur ge- 
holfen werden, wenn er mit Zustimmung C.s oder wenn C. für sich allein die Anfechtung 
bis zum 5. Okt. 08 wiederholt; in ersterem Fall muß aber A. so vorsichtig sein, sich die Zu- 
stimmung C.8 schriftlich geben zu lassen; denn sonst kann A. die Anfechtung als ungültig 
zurückweisen. II. Derselbe Fall; nur hat A. das Haus dem B. nicht verkauft, sondern ge- 
schenkt. Hier kann die Anfechtung auch nach der Entmündigung durch A. allein erfolgen, 
weil sie für ihn rein gewinnbringend ist. 
15) Siehe oben S. 178 erster Absatz.
	        
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