424 Buch II. Abschnitt 1. Das Recht der Forderungen im allgemeinen.
3. Erfüllungszeit.
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Eine Forderung und ebenso die der Forderung gegenüberstehende Ver-
bindlichkeit heißt fällig, wenn ihre Erfüllungszeit, d. h. die Zeit, zu der der
Gläubiger die geschuldete Leistung fordern darf, herangekommen ist.
I. Die allgemeine Regel lautet: eine Forderung ist sofort fällig, nach-
dem sie begründet ist; der Gläubiger kann also die geschuldete Leistung sofort
einfordern (271 D.
II. 1. Doch gilt diese Regel selbstverständlich nur ergänzend, nämlich nur
dann, wenn nicht aus der besondern Natur der Forderung, aus der Verkehrs-
sitte oder den rechtsgeschäftlichen Bestimmungen der Parteien etwas Abweichendes
folgt. Und tatsächlich finden sich derartige Abweichungen überaus häufig.
Namentlich bei rechtsgeschäftlichen Forderungen wird in unzähligen Fällen eine
mehr oder minder geräumige Erfüllungsfrist oder ein mehr oder minder hinaus-
geschobener Erfüllungstermin festgesetzt.
a) Im Zweifel gilt eine Erfüllungsfrist oder ein Erfüllungstermin nur
zugunsten des Schuldners. Der Gläubiger darf also die Leistung nicht vor Ab-
lauf der Erfüllungsfrist oder vor dem Erfüllungstermin fordern; der Schuldner
kann aber, wenn er will, die Leistung schon früher bewirken (271 1.).
b) Doch kann Frist und Termin auch zugunsten beider Parteien be-
stimmt sein, so daß der Gläubiger, sowenig er eine vorzeitige Leistung fordern
darf, sowenig sie anzunehmen braucht.
c) Endlich kann ausnahmsweise Frist und Termin auch bloß zugunsten
des Gläubigers bestimmt sein: dieser kann die vorzeitige Leistung fordern,
braucht sie aber nicht anzunehmen.
Beispiel. A. hat dem B. auf ein Jahr ein Buch geliehn, hat ihm auf ein Jahr ein
mit 6% verzinsliches Darlehn von 1000 Mk. gewährt und hat ihm auf ein Jahr seine
Wertpapiere zur Verwahrung gegeben. Hier hat die Klausel „auf ein Jahr“ bei jedem der
drei Geschäfte eine andre Bedeutung: bei dem Leihgeschäft ist sie nur zugunsten des Schuldners
B., bei dem Darlehnsgeschäft ist sie zugunsten sowohl des Schuldners B. wie des Gläubigers
A., bei dem Verwahrungsgeschäft ist sie nur zugunsten des Gläubigers A. festgesetzt. Dem-
nach kann das Buch schon vor Ablauf des Jahrs von B. auch gegen den Widerspruch A.8#
zurückgegeben, können die Wertpapiere schon vor Ablauf des Jahrs von A. auch gegen den
Widerspruch B.s zurückgefordert werden, während die 1000 Mk. vor Ablauf des Jahrs nur
mit beiderseitiger Einwilligung von A. und B. rückzahlbar sind.
In dem zu c genannten Fall hat der Erfüllungstermin oder die Erfüllungsfrist auf
die Fälligkeit der Forderung keinen Einfluß: die Forderung ist fällig, noch ehe der Termin
herangekommen oder die Frist abgelaufen ist. Hiernach wird in den beiden zuerst genannten
Fällen (a, b) die Forderung erst fällig, nachdem die Erfüllungsfrist abgelaufen oder der
Erfüllungstermin herangekommen ist; in dem dritten Fall (c) tritt die Fälligkeit der Forde-
rung dagegen schon früher ein.
2. Überaus häufig wird die Erfüllungszeit von einer Kündigung des