88 202, 203. Eigentumserwerb durch Aneignung und Verarbeitung. 137
d) Eigentumserwerb durch Verarbeitung (Spezifikation).
§ 203.
I. 1. Wird durch Verarbeitung irgendwelcher Stoffe eine neue be-
wegliche Sache hergestellt, so fällt, sofern nicht etwa der Wert der Verar-
beitung erheblich geringer war als der Wert der Stoffe, das Eigentum der
neuen Sache dem Arbeiter zu, ohne Rücksicht darauf, ob die Stoffe ihm oder
einem andern gehört haben; das bisherige Eigentum an den Stoffen erlischt (950).
Beispiele. I. Hierher gehörige Fälle sind: aus einem Marmorblock wird eine Stalue,
aus Papier und Druckerschwärze wird ein Buch, aus Leder werden Stiefel, aus Steinchen
wird ein kunstvolles Mosaik hergestellt. II. Dagegen gehört nicht hierher 1. die Bebauung einer
Baustelle mit einem Hause, die Verwandlung eines Moors in Wiesenland; denn das Arbeits-
ergebnis ist hier keine bewegliche Sache; 2. das Waschen von Handschuhen, das Färben
von Kleidern, das Abändern eines Gemäldes, das Einbinden von Büchern, das Dressieren
eines Pudels; denn das Arbeitsergebnis ist hier keine „neue“ Sache; 3. das Dreschen
und Mahlen von Korn, das Kochen von Fleisch, die Verarbeitung schwerer Seide zu einem
Kleide; denn hier ist die Verarbeitung erheblich weniger wert als der verarbeitete Stoff.
2. a) Gleichgültig ist, ob der Arbeiter die Absicht gehabt hat, das Eigen-
tum oder auch nur den Eigenbesitz der neuen Sache zu gewinnen. Deshalb
ist die Verarbeitung kein Rechtsgeschäft und kann rechtswirksam auch von
Kindern und Geisteskranken vorgenommen werden.
b) Hat der Arbeiter die Arbeit für einen Dienstherrn geleistet, so kommt
der Eigentumserwerb nicht ihm, sondern dem Herrn, insbesondre bei Arbeiten
von Handwerksgesellen dem Meister, zu. Inwieweit ein gleiches auch dann
anzunehmen ist, wenn jemand als selbständiger Arbeiter für einen Besteller
tätig war, ist äußerst zweifelhaft.!
3. Gleichgültig ist auch, ob der Arbeiter zu seiner Verarbeitung befugt war
oder wenigstens dazu befugt zu sein glaubte. Deshalb fällt das Eigentum sogar
dem zu, der einen von ihm gestohlenen Stoff zu einer neuen Sache verarbeitet.
II. Nießbrauchs= oder Pfandrechte, die an dem verarbeiteten Stoff be-
standen haben, gehn, wenn die Voraussetzungen zu I erfüllt sind, unter: der
Arbeiter gewinnt also lastenfreies Eigentum (950 1.).
III. 1. Werden durch den Eigentumserwerb des Arbeiters andre um ihr
Eigentum oder um ein sonstiges Recht an den verarbeiteten Stoffen gebracht,
so können sie von dem Arbeiter eine Entschädigung wenigstens insoweit fordern,
als dieser sich sonst auf ihre Kosten bereichern würde. Doch dürfen sie die
Entschädigung nur in Geld verlangen, also weder auf Herausgabe der neuen
Sache in ihrer jetzigen Gestalt noch auf Wiederherstellung des früheren Zu-
standes bestehn (951 1).
2. Hat der Arbeiter sich durch seine Verarbeitung eines Delikts schuldig
1) Dafür Crome 2 § 264 20; Endemann II, 1 S. 551 1.