Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Sachenrecht. - Das Recht der Wertpapiere. - Das Gemeinschaftsrecht. - Das Recht der juristischen Personen. - Das Familienrecht. - Das Erbrecht. (2)

190 Buch III. Abschnitt 4. Das Erbbaurecht und die Dienstbarkeiten. 
II. Die Grunddienstbarkeiten. 
I. Bie echten Grunddienstbarkeiten. 
§ 216. 
I. 1. a) Die Grunddienstbarkeit (Prädialservitut) ist das auf einem 
Grundstück lastende dingliche Recht, kraft dessen der jeweilige Eigentümer eines 
andern Grundstücks befugt ist, 
das belastete Grundstück in einzelnen Beziehungen zu benutzen oder 
die Vornahme gewisser Handlungen auf dem belasteten Grundstück zu 
verbieten oder 
die Ausübung gewisser Rechte, die sich von Gesetzes wegen aus dem 
Eigentum an dem belasteten Grundstück gegenüber seinem eignen 
Grundstück ergeben, zu untersagen (1018). 
Das belastete Grundstück wird auch als das dienende (fundus serviens) 
und dementsprechend das andre Grundstück als das herrschende (fundus 
dominans) bezeichnet. 
Beispiel. Der jetzige Eigentümer des Fabrikgrundstücks a läßt für dessen jeweiligen 
Eigentümer folgende drei Dienstbarkeiten an dem Nachbargrundstück b bestellen: I. die auf 
a angefertigten Fabrikate dürfen auf b in Wagen geladen und von dort aus fortgefahren 
werden; II. auf b darf keine Anlage gemacht werden, die dem auf a befindlichen Brunnen 
das Wasser entzieht; III. der Eigentümer und die Bewohner von b müssen sich die üblen 
Geräusche und Gerüche, die von a entgegen 906 zu ihnen dringen, gefallen lassen. 
Bei den Grunddienstbarkeiten wird, wie man sieht, der Berechtigte nicht individuell 
bestimmt wie beim Erbbaurecht und beim Nießbrauch. Berechtigt ist vielmehr der jeweilige 
Eigentümer des herrschenden Grundstücks. Gerade dies ist sogar ein Hauptmerkmal der 
Grunddienstbarkeit, gerade hierin steckt ihr besonderer Wert: die Grunddienstbarkeit ist an 
das herrschende Grundstück gleichsam festgeheftet und bleibt ihm treu, auch wenn es seinen 
Eigentümer wechselt. Dadurch wird vermieden, daß bei der Übereignung des herrschenden 
Grundstücks die Mitübertragung der von dessen bisherigem Eigentümer erworbenen Dienst- 
barkeit einmal vergessen wird und alsdann die Dienstbarkeit bei dem alten Eigentümer ver- 
bleibt, dem sie nichts nützt, und dem neuen Eigentümer fehlt, der zu spät merkt, daß er sie 
kaum entbehren kann. 
b) Es gibt zahllose Arten von Grunddienstbarkeiten: das Recht, über ein 
fremdes Grundstück zu gehn oder zu fahren oder Vieh darüber zu treiben 
das Recht, die Traufe eines Hauses auf ein fremdes Grundstück zu richten, 
das Recht, die Bebauung eines fremden Grundstücks, sei es schlechthin, sei es 
über eine bestimmte Höhe hinaus, zu untersagen (servitus non altius tollendi), 
das Recht, eine fremde Mauer zur Stütze eines eignen Bauwerks zu benutzen 
(servitus oneris ferendi), das Recht, Holz aus einem fremden Walde zu 
holen, das Recht, das eigne Vieh auf einem fremden Stoppelfelde weiden zu 
lassen, das Recht, die eignen Feldarbeiter in Baracken auf einem benachbarten 
Gut unterzubringen usw.
	        
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