Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Sachenrecht. - Das Recht der Wertpapiere. - Das Gemeinschaftsrecht. - Das Recht der juristischen Personen. - Das Familienrecht. - Das Erbrecht. (2)

408 Buch IV. Das Recht der Urkunden. 
vorläufige Interimsscheine) gegen Bezahlung der bedungenen Valuta innerhalb vereinbarter 
Frist den Zeichnern ausgeliefert werden. 
III. Die Anleihescheine pflegen verzinslich zu sein, und zwar so, daß die 
Zinsen vom Nennwert jedes Scheins berechnet werden. Doch gibt es auch 
unverzinsliche Anleihescheine. 
Beispiele. Verzinslich sind die preußischen sog. Konsols (der Zinssatz beträgt zurzeit 
3, 3½ und 4%). Unverzinslich ist ein Teil der „Schatzanweisungen" des Reichs und Preußens. 
Das Reich nimmt als sonveräner Gesetzgeber das Recht für sich in Anspruch, die Ver- 
zinsung seiner Anleihen abweichend von dem gewöhnlichen Zinsrecht zu regeln, und billigt 
den Einzelstaaten für ihre Anleihen die gleiche Machtvollkommenheit zu (EG. 98). Hiernach 
ist es denkbar, daß das Reich oder ein Einzelstaat eine von ihm ausgegebene vierprozentige 
Anleihe willkürlich in eine dreiprozentige „konvertiert“. Damit sind also die Anleihegläubiger 
nicht bloß des Reichs, sondern auch der Einzelstaaten in Ansehung ihrer Zinsen eines 
sicheren Rechtsschußzes beraubt und auf den guten Willen ihrer Schuldner ange- 
wiesen. Selbstverständlich hat man aber in Deutschland von diesem Recht bisher nur einen 
sehr bescheidenen Gebrauch gemacht. Als Beispiel sei erwähnt, daß das Reich 1897 den 
Zinsfuß seiner vierprozentigen Anleihe durch gesetzgeberischen Machtspruch auf dreieinhalb 
Prozent herabgesetzt hat; diese Herabsetzung geschah freilich insofern nicht zwangsweise, als 
die Anleihe zuvor ordnungsmäßig gekündigt war und jedem Gläubiger, der auf die Zins- 
herabsetzung nicht eingehn wollte, die Auszahlung des Neunwerts seiner Scheine in barem 
Gelde angeboten wurde; doch galt dies Angebot nur für den Fall, daß der Gläubiger die 
Barzahlung binnen bestimmter Frist ausdrücklich verlangte (RGes. v. 8. März 97 § 2). 
Für Gemeindeanleihen ist eine analoge Bestimmung nicht aufsgestellt. Ihre Konver- 
tierung ist also lediglich nach Maßgabe der allgemeinen Rechtsregeln zulässig. 
IV. 1. a) Der Termin, zu dem die Einlösung der Anleihescheine erfolgen 
soll, wird bei vielen Anleihen durch eine Kündigung des Schuldners bestimmt, 
während den Gläubigern ein Kündigungsrecht nicht zugestanden ist; die 
Kündigung kann beliebig spät und, wenn nicht in den Anleihebedingungen das 
Gegenteil bestimmt ist, beliebig früh erfolgen, steht also in der Willkür des 
Schuldners. Demnach hat bei derartigen Anleihen der Gläubiger solange, als 
die Kündigung nicht erfolgt, gar kein Recht auf das in seinem Anleiheschein 
verschriebene Kapital; sein Recht besteht vielmehr lediglich in dem Anspruch 
auf die Zinsen: es ist also ein Rentenrecht, das der Schuldner durch Aus- 
zahlung des Rentenkapitals abzulösen befugt, nicht ober abzulösen verpflichtet 
ist. Man nennt diese Anleihen deshalb Rentenanleihen. 
b) Neben den Rentenanleihen gibt es aber auch Anleihen, bei denen der 
Schuldner zur Einlösung der Anleihescheine an mehreren bestimmten Terminen 
verpflichtet ist; welche Anleihescheine an jedem Termin zur Einlösung kommen 
wird durch Verlosung bestimmt. Solche Anleihen nennt man auslosbar. 
I) Schließlich gibt es Anleihen, bei denen der Einlösungstermin für jeden 
Anleiheschein im voraus festgesetzt ist, so daß es weder einer Kündigung noch 
einer Auslosung bedarf. 
Beispiele sind zu a die meisten Staatsanleihen, zu b die meisten Gemeinde= und Privat- 
anleihen, zu c die „Schatzanweisungen“ des Reichs und Preußens. 
Sind bestimmte Einlösungstermine festgesetzt, so darf der Schuldner die Einlösung über 
diese Termine hinaus selbstverständlich nicht verzögern. Ebensowenig darf er aber, wenn 
nicht bei Ausstellung der Papiere das Gegenteil bestimmt ist, die Einlösung vor jenen
	        
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