68 Buch III. Abschnitt 2. Besitz und Inhabung.
Grundstück stößt, in Besitz nehmen. Hier kann B., wenn der bisherige Besitzer C. die Grube
preisgegeben hatte, dies Ziel sowohl dadurch erreichen, daß er einen festen Zaun um die
Grube errichtet und die Zauntür verschließt („physische“ Machtmittel), als auch dadurch, daß
er in der Grube eine Tafel mit der Aufschrift „Betreten verboten. B.“ anbringt („psychische“
Machtmittel). Dagegen wird weder das eine noch das andre Machtmittel ausreichen, wenn
C. die Grube in Betrieb hatte; denn es läßt sich von vornherein annehmen, daß C. sich
weder durch den verschlossenen Zaun noch gar durch die Tasel abhalten lassen wird, dem-
nächst eigenmächtig wieder die Grube zu betreten; B. hat also weder durch den Zaun noch
durch die Tafel die Herrschaft über die Grube erlangt, sondern hat den Kampf um diese Herr-
schaft erst begonnen.
II. 1. In der Regel ist zum Erwerbe neubegründeten Besitzes an einer
Sache auf seiten des Erwerbers ein Besitzwille (animus possidendi) er-
forderlich. Denn erst aus dem Willen des Erwerbers pflegt sich zu ergeben,
ob die Gewalt, die er über die Sache erlangt hat, den Charakter einer „Herr-
schaft“ an sich trägt. 2
Beispiele. I. Wenn A. nach einem Besuch bei B. seinen überzieher auf dem Flur
B.s hängen läßt, so erwirbt B. keinen Besitz an dem Uberzieher; denn ihm fehlt der Be-
sitzwille. II. Ebenso beruht der Umstand, daß in dem oben S. 65 genannten Fall I, 2 der
Jäger A. den Besitz des von ihm erlegten Rehbocks nicht erwirbt, darauf, daß A. zwar
den Willen hat, Besitz zu erwerben, aber nicht für sich, sondern für den Jagdherrn C.
2. Doch gibt es eine nicht geringe Zahl von Fällen, in denen der Besitz-
wille auf seiten des Gewalthabers als selbstverständlich zu unterstellen ist.
Hier ist es nicht erforderlich, daß der Erwerber den Besitzwillen wirklich faßt,
geschweige denn, daß er ihn irgendwie äußert; ja es ist nicht einmal nötig,
daß er von dem Besitzerwerbe Kenntnis bekommt oder daß er ihn auch nur
voraus gesehen hat.
Beispiele. I. A. erlangt in dem oben S. 671 genannten zweiten Beispiel den Besitz
des Marders, sobald das Tier in die Falle gerät, auch wenn er diesen Fang erst einige
Tage später erfährt. II. Ebenso erlangt er in dem ebenda genannten drititen Fall den
Besitz des Hundes sofort mit dessen Rückkehr, auch wenn er es längst aufgegeben hat, den Hund
wieder zu bekommen, es sei denn, daß er zuvor erklärt hätte, er sei froh, den Hund los
geworden zu sein; wenn also der Dieb den Hund, noch ehe A. dessen Rückkehr gemerkt, vo#n
neuem fängt, so wäre dies ein neuer Diebstahl.
III. Irgendein Recht auf den Besitz braucht der Erwerber nicht zu haben.
Beispiele s. oben S. 65 Fall I, II, 2.
IV. Der besitzbegründende Vorgang ist kein Rechtsgeschäft, da er ja eine
Willensäußerung des Besitzerwerbers nicht unbedingt voraussetzt und da auch
in solchen Fällen, in denen an dem Erfordernis des Besitzwillens auf seiten
des Erwerbers festgehalten werden muß, dieser Wille nur als natürlicher,
nicht als rechtsgeschäftlicher Wille in Betracht kommt. Der ursprüngliche
Besitzerwerb unterliegt also den für Rechtsgeschäfte geltenden Regeln nicht, und
auch zu einer analogen Anwendung dieser Regeln ist kein Anlaß.“
1. Demnach kann die Frage, ob eine geschäftsunfähige Person selbständig
2) Naape, Besitzerwerb ohne Besitzwille (Diss. 01); Eltzbacher, Handlungsfähigkeit (03)
S. 210.
3) Abw. Endemann II, 1 S. 177; Wendt, Besitz u. Besitzwille (07); Bruns, Besitz-
erwerb (10) S. 59. 4) Frank a. a. O. S. 36. 5) Manigk S. 654.