92 II. Reichsgesetzgebung. Art. 3.
sprechende Recht der Teilnahme an der Gemeindevertretung in den Land-
gemeinden und auf das Recht zur Teilnahme an den Gemeindenutzungen
beziehen.
Wenngleich die Armenversorgung im Absatz des Art. 3 mit der Auf-
nahme in den lokalen Gemeindeverband auf gleichem Fuße als ein durch
das gemeinsame Indigenat nicht berührtes Gebiet behandelt ist, so liegen
doch hinsichtlich der Kompetenz des Reiches die beiden Fälle verschieden.
Für die Armenfürsorge war trotz des im Abs. 3 ausgedrückten Vorbehalts
eine alsbaldige reichsgesetzliche Regelung wenigsstens in bezug auf die dabei
maßgebenden Grundsätze unausbleiblich wegen des untrennbaren Zusammen-
hanges zwischen der Freizügigkeit und der Armenfürsorge. Dagegen gilt
dasselbe nicht von der Aufnahme in den lokalen Gemeindeverband, d. h.
der Erlangung des Rechtes, ein vollberechtigter Bürger der Stadt und ein
vollberechtigtes Mitglied einer Landgemeinde zu werden. Der Regierungs-
vertreter, Bundeskommissar Hofmann hat sich darüber in der Sitzung des
konst. Reichstages v. 19. März 1867 St. B. 244 wie folgt geäußert:
„Es ist ferner ein Antrag gestellt, der dahin geht, in Alinen 3 die
Worte „und die Aufnahme in den lokalen Gemeindeverband“ zu streichen,
aber gerade dieser Punkt war von hoher Bedeutung für die Möglichkeit
eines Einverständnisses der Verbündeten Regierungen. Denn es wurde
von sehr verschiedenen Seiten gewünscht, und es wurde namentlich auch
von der Kgl. Preußischen Regierung anerkannt, daß in die Gemeinde-
verhältnisse durch die Bundesverfassung nicht sollte eingegriffen werden."
Aus dieser Erklärung wie aus dem Umstande, daß ein Antrag gestellt
war auf Streichung nur der auf die Aufnahme in den lokalen Gemeinde-
verband bezüglichen Bestimmung, nicht der die Armenfürsorge betreffenden
Vorschrift, geht übrigens nebenbei hervor, daß auch im Reichstage damals
beiden Bestimmungen eine verschiedene Bedeutung beigelegt wurde. Es ist
deshalb nicht verfassungswidrig, wenn z. B. durch die Städteordnung für
die sechs östlichen Provinzen der Preußischen Monarchie v. 30. Mai 1858
Ges. S. S. 261 § 5 der Erwerb des Bürgerrechts, das in dem Rechte zur
Teilnahme an den Wahlen sowie in der Befähigung zur übernahme un-
besoldeter Amter in der Gemeindeverwaltung und zur Gemeindevertretung
besteht, u. a. an die Bedingung der preußischen Staatsangehörigkeit geknüpft
ist, ebendeshalb weil der Erwerb des Bürgerrechts unter den im Abft. 3
des Art. 3 enthaltenen Vorbehalt fällt. Das Oberverwaltungsgericht hat
deshalb in der genannten Entscheidung Bd. 30 S. 8 mit Recht ausgesprochen,
daß das Ehrenbürgerrecht und das auf ihm beruhende Recht zur Teil-
nahme an den Gemeindewahlen verloren gehe, sobald der Ehrenbürger auf-
hört, Preuße zu sein. Dagegen würde es natürlich ebenso mit Art. 3 R.V.
wie mit dem Freizügigkeitsgesetz im Widerspruch stehen, wenn eine Gemeinde
das Wohnrecht in ihrem Verbande von der Staatsangehörigkeit abhängig
machen wollte.
VII. Die Erfüllung der Militärpflicht.
In Ausführung des 5. Abs. des Art. 3 bestimmt über die Erfüllung
der Militärpflicht im Verhältnis zum Heimatsstaate das Gesetz betr. die
Verpflichtung zum Kriegsdienste v. 9. Nov. 1867 BGl. S. 181 § 17 in
Verbindung mit §8 12 des Reichs-Militärgesetzes v. 2. Mai 1874 R.G.Bl.