160 II. Reichsgesetzgebung. Art. 4.
die Freiheit der Elbschiffahrt in der Elbschiffahrts-Akte enthaltenen Be-
stimmungen im Widerspruch stehe. Dagegen hat er nicht anerkannt, daß
die Reichskompetenz durch Art. 4 Ziff. 9 begründet sei.
Was ferner die von Laband bejahte Frage anbetrifft, ob die Worte
„Zustand der letzteren“ die Kompetenz des Reichs zur Gesetzgebung und
Aufficht in Angelegenheiten der Reinerhaltung der Wasserstraßen im ge-
sundheits- und veterinärpolizeilichen Interesse einschließt, so ist seitens der
Reichsverwaltung diese Frage verneint worden. Der Staatssekretär des
Innern, Graf Posadowsky-Wehner hat in der Reichstagssitzung v. 28. Jan.
1901 St. B. 968 erklärt:
„Man kann die Zuständigkeit des Reichs in Sachen der Reinerhaltung
der mehreren Bundesstaaten gemeinschaftlichen Wasserstraßen nicht auf
Art. 4 Ziff. 9 R.V. stützen. Denn Ziff. 9 überweist dem Reiche nur: den
Flößerei= und Schiffahrtsbetrieb auf den mehreren Staaten gemeinsamen
Wasserstraßen und den Zustand der letzteren sowie die Fluß= und sonstigen
Wasserzölle usp. — Mit anderen Worten ist hier m. E. dem Reiche nur
die Aufsicht über den Zustand der Flüsse überwiesen, insoweit er für die
Flößerei und den Schiffahrtsbetrieb in Betracht kommt; aber eine
hygienische Aufsicht ist dem Reiche durch die Bestimmung nicht ein-
geräumt, vielmehr kann sich die Zuständigkeit des Reichs in bezug auf
den hygienischen Zustand der Flüsse nur auf Art. 15 stützen."“
Die Worte „desgleichen die Seeschiffahrtszeichen (Leuchtfeuer, Tonnen,
Baken und sonstigen Tagesmarken)“ befanden sich ursprünglich in der Reichs-
verfassung nicht, sondern sind erst durch das Ges. v. 3. März 1878 R.G. Bl.
S. 47 hinzugefügt worden; vgl. im übrigen die Ausführungen zu Art. 54.
Ziffer 10.
Post= und Telegraphenwesen.
Diese Bestimmung ist durch Art. 48—52 näher ausgeführt. Deshalb
wird auf die Erläuterung zu diesen Vorschriften verwiesen.
Ziffer 11.
Bestimmungen über die wechselseitige Vollstreckung von Erkenntnisfsen
in Zivilsachen und Erledigung von Regquisitionen überhaupt.
Diese Materie ist jetzt für die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit durch
§§ 157 ff. G.V.G. geregelt, dessen grundlegende Bestimmung (8§ 157) lautet:
„Die Gerichte (des ganzen Reichs) haben sich in bürgerlichen Rechts-
streitigkeiten und in Strafsachen Rechtshülfe zu leisten.“
Dieselben Bestimmungen finden auf Angelegenheiten der freiwilligen
Gerichtsbarkeit Anwendung gemäß § 2 des Ges. über die Angelegenheiten
der freiwilligen Gerichtsbarkeit v. 17. Mai 1898 R.G. Bl. S. 189 und 771.
Auch soweit es sich um Requifitionen handelt, die von anderen richterlichen
Behörden ausgehen oder an solche gerichtet sind, kommen entweder auf
Grund besonderer gesetzlicher Vorschriften die 88 158 ff. des Gerichtsver-
fassungsgesetzes zur Anwendung oder es sind entsprechende Bestimmungen
durch die den Geschäftsgang dieser Behörden regelnden Gesetze getroffen oder
eventuell wird noch das Ges. v. 21. Juni 1869 betr. die Gewährung der
Rechtshülfe R.G. Bl. S. 305 angewendet, das im ganzen Reiche gilt.