Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

II. Reichsgesetzgebung. Art. 4. 161 
Ziffer 12. 
Die Beglaubigung von öffentlichen Urkunden. 
Die Materie ist durch das Ges. v. 1. Mai 1878 betr. die Beglaubigung 
öffentlicher Urkunden R. G. Bl. S. 89 geregelt. Soweit es sich um gericht- 
liche Beurkundungen und Beglaubigungen handelt, sind das Reichsgesetz betr. 
die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und seine Ausführungs- 
bestimmungen maßgebend. 
Ziffer 13. 
a) Die gemeinsame Gesetzgebung über das gesamte bürgerliche Recht. 
Ursprünglich lautete der Text der Ziff. 13: 
„Die gemeinsame Gesetzgebung über das Obligationenrecht, Strafrecht, 
Handels= und Wechselrecht und das gerichtliche Verfahren“. 
Die jetzt geltende Fassung beruht auf dem Ges. v. 20. Dez. 1873 
R.G. Bl. S. 379. Die erste Anregung zu dieser Erweiterung der Reichs- 
kompetenz haben im konst. Reichstage Sitzung v. 20. 1867 St.B. 284 f. die 
Abg. Lasker und Migquel gegeben. 
Von der großen Zahl der auf Grund dieser Bestimmung erlassenen 
Reichsgesetze ist in erster Linie zu nennen: Das Bürgerliche Gesetzbuch v. 
18. Ang. 1896 R.G.Bl. S. 195 nebst Einführungsgesetz vom gleichen Tage 
R.G.Bl. S. 604. Es umfaßt grundsätzlich alle Gebiete, die nach dem 
traditionellen Vorbild anderer Kodifikationen dem bürgerlichen Recht zu- 
gerechnet werden und zerfällt in fünf Bücher, deren lberschriften seinen 
Hauptinhalt erkennen lassen: 1. Allgemeiner Teil — 2. Recht der Schuld- 
verhältnisse — 3. Sachenrecht — 4. Familienrecht — 5. Erbrecht. Das 
in den Bundesstaaten vorher in Geltung gewesene bürgerliche Recht ist für 
die Bildung des Bürgerlichen Gesetzbuchs zum größten Teile als Grundlage 
genommen worden, und zwar alle vorhandenen Rechtsquellen, insbesondere 
das preußische allgemeine Landrecht, das gemeine Recht, das sächfische 
Bürgerliche Gesetzbuch, der cockee civil usw. Hervorzuheben ist, daß die das 
ganze Rechts= und Verwaltungssystem des Reichs beherrschende Sozialpolitik 
auch in dem B.-G. B. zum Durchbruch gekommen ist, namentlich in den 
Vorschriften über den Dienstvertrag und das Mietsrecht. Bezeichnenderweise 
finden sich gerade hier praktisch bedeutungsvolle Abweichungen von dem 
früher in Geltung gewesenen Recht und eine dem bürgerlichen Recht sonst 
fremde Beschränkung der Vertragsfreiheit. Für viele Sondergebiete des 
bürgerlichen Rechts ist das Landesrecht aufrecht erhalten und diese Materien 
find auch für die Zukunft der Landesgesetzggebung überlassen. Das Ein- 
führungsgesetz zählt im Art. 57 ff. die Vorbehalte zugunsten der Landesgesetz- 
gebung auf, die sich beziehen: z. B. auf das Bergrecht, Jagdrecht, Gesinde- 
recht, Kirchen= und Schulbaulast, religiöse Erziehung der Kinder, Anerben- 
recht. Mitbezug hierauf ist daran zu erinnern, daß schon in dem Moment, 
als im konst. Reichstage zum ersten Male der Vorschlag eines allgemeinen 
bürgerlichen Gesetzbuchs zur Sprache kam, von dem Antragsteller gleichzeitig 
darauf hingewiesen wurde, daß damit keineswegs jede Rechtsentwicklung in 
kleinerem Kreise ausgeschlossen sein sollte; der Abg. Migquel erklärte zur 
Begründung seines Antrags in der Reichstagssitzung v. 20. März 1867 
St. B. 285: 
Dambitsch, Deutsche Reichsverfaffung. 11
	        
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