II. Reichsgesetzgebung. Art. 5. 187
Vetorecht gegenüber „Gesetzesvorschlägen“. Bezüglich der Zölle und in-
direkten Steuern, die durch Art. 35 R.V. dem Reiche zur ausschließlichen
Gesetzgebung überwiesen find, ist durch Art. 37 R.V. vorgeschrieben, daß
das Vetorecht der Krone Preußen sich auch erstreckt: „auf die bei der Be-
schlußnahme über die zur Ausführung der gemeinschaftlichen Gesetzgebung
(Art. 35) dienenden Verwaltungsvorschriften und Einrichtungen“. Da es
aber für das Militärwesen und die Kriegsmarine an einer entsprechenden
Bestimmung fehlt, so ist es zweifelhaft, ob hier das Vetorecht sich nur auf
Gesetzesvorschläge oder auch auf Verordnungen bezieht. Laband lI S. 90
hat sich für die Beschränkung des Vetorechts auf Gesetzesvorschläge aus-
gesprochen, indem er einmal auf den Zusammenhang mit dem nur die
Gesetzgebung — unter Ausschluß der Verordnungsgewalt — behandelnden
Abs. 1 des Art. 5 und ferner auf das aus Art. 37 sich ergebende argumentum
ee contrario hinweist. Laband ist auch der Ansicht, daß das Veto gegen
Gesetzesvorschläge vollkommen genüge, da es ein Mittel biete, die Delegation
des Verordnungsrechts an den Bundesrat, die nur durch Gesetz erfolgen
könne, zu verhindern. Es ist nicht zu verkennen, daß die Frage zweifel-
haft ist, doch sprechen überwiegende Gründe dafür, die Bestimmung nicht
wörtlich zu verstehen und das Vetorecht auf alle Abänderungen des be-
stehenden Zustandes, also auch auf Abänderungen im Wege der Verordnung
zu erstrecken. Art. 5 Abs. 2 in seiner geltenden Form beruht auf einem
Antrage, den der Abg. Twesten im konst. Reichstage stellte (Anl. v. 1867
Bd. 1 S. 41 Nr. 16). Der Abg. Wagner wies bei der Verhandlung über
diesen Antrag (St. B. S. 306) auf Art. 61 R.V. hin, wonach die gesamte
preußische Militärgesetzgebung nach Publikation der Verfassung in den
Staaten des- Norddeutschen Bundes ungesäumt einzuführen war, und zwar
sowohl die Gesetze selbst als auch die zu ihrer Ausführung, Erläuterung
oder Ergänzung erlassenen Reglements, Instruktionen und Reskripte; der Abg.
Wagner wies ferner darauf hin, daß in diesem Artikel eine Bestimmung
über die Fortbildung der Militärgesetzgebung nicht enthalten und die Frage
offen gelassen sei, ob Preußen weiterhin in Militärsachen sein eigener Ge-
setzgeber sein solle und diese Gesetzgebung ohne weiteres in den Staaten
des Norddeutschen Bundes einzuführen sei oder ob die Militärgesetzgebung
— wie es dem Amendement Twesten entsprach — auf den Norddeutschen
Bund übergehen sollte; er stimme für das Amendement Twesten, weil
(wörtlich):
„ich allerdings glaube, daß Preußen, wenn es seich seiner eigenen
Legislatur über seine Militärverhältnisse begibt und in den Reichstag
verlegt, derjenigen Garantie bedarf, die im 2. Satze des Twestenschen
Amendements ausgesprochen wird, nämlich, daß Veränderungen bestehender
Einrichtungen auf diesem Gebiete gegen den Widerspruch der Krone
Preußen nicht erfolgen können.“
Der Abg. Twesten erklärte noch zu seinem Amendement (St.B. 308);
. Ich akzeptiere es, daß die Gesetzgebung über das Militär-
und Marinewesen aus dem preußischen Landtag auf den Reichstag über-
tragen wird; ich meine aber, daß auch die Bestimmung der preußischen
Verfassung, nach welcher der Krone Preußens ein unbedingtes Veto zu-
steht, hier zugleich übertragen werden muß. Wenn auch die Krone
Preußen tatsächlich ohne Zweifel in der Lage sein würde, nicht majorisiert