206 III. Bundesrat. Art. 6.
der Souveränetät ansgestatteten Faktor, wie etwa dem Landesausschuß von
Elsaß= Lothringen, eine Vertretung im Bundesrat einzuräumen. Aus den
Erklärungen des Fürsten Bismarck ist zu schließen, daß mit der Einrichtung
der beratenden Stimme für Elsaß-Lothringen nur eine Ergänzung, nicht
die Vorbereitung einer Abänderung des Art. 6 R.V. beabsichtigt war und
daß damit nicht etwa nur ein Provisorium geschaffen werden sollte für den
Übergang zur beschließenden Stimme. An der Einrichtung, daß Elsaß-
Lothringen im Bundesrat nur durch beratende Stimme vertreten wird, ist
bisher noch nichts geändert. Noch in der Reichstagssitzung v. 15 März 1905
hat der Reichskanzler Fürst Bülow auf den wiederholten Antrag, daß
Elsaß-Lothringen im Bundesrat voll vertreten sein möge, seine mit dem
Standpunkt des Fürsten Bismarck übereinstimmende Ansicht dahin geäußert
St. B. 5264 A:;
„Es entsteht zunächst die Frage, durch welche Instanz die elsaß-
lothringischen Bundesratsbevollmächtigten ernannt werden sollen. Die
Wahl derselben durch den Landesausschuß erscheint im Hinblick auf die
die Organisation des Bundesrats regelnden Bestimmungen des Art. 6
R.V. ausgeschlossen. Ihre Ernennung durch den Kaiserlichen Statthalter
würde dagegen dazu führen, den Einfluß Preußens im Bundesrat über
die Absichten der Reichsverfassung hinaus zu mehren und damit das
Verhältnis Preußens zu den anderen Bundesstaaten in einer für die
letzteren ungünstigen Weise zu verschieben."“
Später hat zwar der Reichskanzler Fürst Bülow — insbesondere in
der Reichstagssitzung v. 24. März 1908 St. B. 42560 — zum Ausdruck
gebracht, daß in der Entwicklung der elsaß-lothringischen Verfassungsfrage
im Sinne einer Annäherung an die Verfassungsformen eines selbständigen
Einzelstaats noch nicht der letzte Schritt getan sei, aber auch damals hat
der Reichskanzler nicht kundgegeben oder auch nur angedeutet, daß die vor-
stehend entwickelten staatsrechtlichen Schwierigkeiten, die einer vollberechtigten
Vertretung Elsaß-Lothringens im Bundesrat entgegenstehen, als überwindlich
angesehen werden.
VI. Anderungen in dem durch Art. 6 festgesetzten Stimmenverhältnis.
Die Frage, unter welchen Bedingungen das im Art. 6 festgesetzte
Stimmenverhältnis abgeändert werden darf, kann zweifelhaft sein. Nimmt
man an, daß es sich dabei um eine Vorschrift handelt, durch welche bestimmte
Rechte einzelner Bundesstaaten in deren Verhältnis zur Gesamtheit fest-
gestellt sind, so kann die Stimmenverteilung gemäß Art. 78 Abs. 2 R.V.
nur mit Zustimmung der von ihr betroffenen Bundesstaaten abgeändert
werden. Nimmt man dies nicht an, so würde es sich um eine einfache
Veränderung der Verfassung handeln, die nach Art. 78 Abs. 1 im Wege
der Gesetzgebung erfolgt und als abgelehnt gilt, wenn sie im Bundesrate
14 Stimmen gegen sich hat. In der Wissenschaft besteht Streit darüber,
ob die Frage im Sinne der einen oder anderen Alternation zu entscheiden
ist. Laband I S 120 beruft sich auf die Fassung, die Art. 6 in der Ver-
fassung des Norddeutschen Bundes hatte, d. h. auf die damals einen Bestand-
teil dieses Artikels bildenden Worte: „unter welchen die Stimmführung
sich nach Maßgabe der Vorschriften für das Plenum des ehemaligen