208 III. Bundesrat. Art. 6.
ihnen einen Ersatz für diejenigen Staatshoheitsrechte zu geben, die fie bei
ihrem Eintritt in das Reich zu dessen Gunsten aufgegeben haben — gerade
deshalb muß angenommen werden, daß hier Rechte bestehen, bezüglich deren
man bei der Gründung des Reichs von der Voraussetzung ausgegangen
ist, daß sie nicht ohne Zustimmung des berechtigten Bundesstaates abgeändert
werden könnten. Die Rechte eines jeden Bundesstaats, dessen Stimmenzahl
eine Verminderung erfährt, werden im Verhältnis zum Reiche erheblich
beeinträchtigt, es sei denn, daß gleichzeitig in demselben Verhältnis die
Stimmen aller anderen Bundesstaaten vermindert würden, ein Fall, der
unmöglich ist, weil eine Anzahl Bundesstaaten schon jetzt je nur eine
Stimme haben. Ubrigens geht aus der unter IV S. 203 wiedergegebenen
Außerung des Fürsten Bismarck hervor, daß dieser an eine so weitgehende
und überhaupt an eine derartige Schlußfolgerung bei dem Hinweis auf
die Stimmenverteilung im Plenum des alten deutschen Bundes nicht gedacht
hat; seine sich hierauf erstreckende Erklärung enthält mitbezug auf die
jetzt in Wegfall gekommene und von Laband als Beweisgrund verwertete
Stelle des Art. 6 der Verfassung des Norddeutschen Bundes den Satz:
„Wir legen darauf Wert, daß dieser jedenfalls unschädliche Zusatz
beibehalten werde“.
Fürst Bismarck hat den Zusatz für unschädlich, d. h. für indifferent
gehalten, wie man ihn nicht bezeichnen könnte, wenn der von Laband dar-
aus gezogene Schluß richtig wäre, und Fürst Bismarck hat den Zusatz
nur befürwortet, um dem Reichstag die sehr weitgehende Berückfichtigung
der kleineren Staaten durch den besonders eindringlichen Hinweis auf deren
historische Rechte annehmbar zu machen; es liegt gewiß nicht im Sinne
dieses für die Stimmenverteilung maßgebend gewesenen Motives, daß das
den kleineren Staaten für die von ihnen gebrachten Opfer zugewiesene
Aquivalent durch Mehrheitsbeschlüsse des Bundesrats und Reichstages ihnen
sollte wieder genommen werden können.
Von dem Fall einer Veränderung der Stimmenverteilung im Wege
der Reichsgesetzgebung ist die Frage zu unterscheiden, welchen Einfluß
politische Veränderungen in der staatlichen Selbständigkeit der einzelnen
Bundesglieder auf ihre Stimmführung im Bundesrate ausüben. Wie
unter III 1 S. 201 f. angeführt, hat die sogen. Administrativ-Konvention
zwischen Preußen und Waldeck, obwohl Preußen nahezu die gesamte Ver-
waltung Waldecks übernommen hat, nach einer positiven Bestimmung des
zwischen den beiden Staaten geschlossenen Vertrages nicht zur Folge, daß
der Fürst von Waldeck das Recht verloren hat, seine Stimme im Bundesrat
zu führen. Als diese Frage in der Sitzung des preuß. Abgeordnetenhauses
v. 11. Dez. 1867 zur Sprache kam, erklärte Fürst Bismarck St. B. 392:
„Die Einverleibung Waldecks würde der Bundesgesetzgebung bedürfen;
das wird ohne weiteren Beweis einleuchten, wenn ich darauf aufmerk-
sam mache, daß die Waldecksche Stimme und deren Bezeichnung, sowie
die bisherige Stimmenzahl einen integrierenden Teil der Bundesverfassung
bilden, daß also, um eine dieser Stimmen verschwinden zu lassen, eine
Anderung der Bundesverfassung unvermeidlich wäre."
Ferner St.B. 394:
„Daß Waldeck eine Stimme habe und führe, ist das Recht aller, und
sie kann ihm nicht ohne denjenigen Modus, der für die Verfassungs=