III. Bundesrat. Art. 7. 211
darf, als er Stimmen führt, ist wohl im Interesse des Geschäftsganges ge-
troffen, damit die Personenzahl des Plenums nicht zu groß wird. Dagegen
kann jeder Staat beliebig viele Stellvertreter für jeden Bevollmächtigten
bestellen, um die im Bundesrat zu leistende, die Abstimmung vorbereitende
Arbeit zu bewältigen. Das Reich hat kein Interesse dies zu verhindern, da
hierdurch weder das Stimmenverhältnis berührt noch das Reich finanziell.
in Anspruch genommen wird; denn die Bevollmächtigten und die Stell-
vertreter erhalten aus der Reichskasse keine Besoldung; vgl. Laband 1 S. 222f.
Auch widerspricht die Einrichtung der Stellvertreter keiner positiven Ver-
fassungsbestimmung und ist deshalb nicht contra, sondern nur praeter
Constitutionem; ebenso v. Seydel S. 134.
Im Plenum wird mit der ganzen, einem Bundesstaat zustehenden
Stimmenzahl gestimmt, in den Ausschüssen dagegen führt gemäß Art. 8
R.V. jeder Staat nur eine Stimme.
Staatsrechtlich kommt es natürlich nur auf die Abstimmung an,
politisch ist die Vorbereitung der Abstimmung die Hauptsache, d. h. die
gegenseitige Einwirkung, die zur Vorbereitung des Votums mit mehr oder
weniger Erfolg ausgeübt wird, und zwar gilt dies vom Bundesrate in
höherem Grade als von einer parlamentarischen Versammlung, mögen deren
Debatten auch noch so umfangreich sein, weil die Regierungen nicht in
demselben Maße auf eine schon im voraus programmatisch vereinbarte
Politik festgelegt sind, als die einzelnen politischen Fraktionen des Parla-
ments und weil die einer wechselseitigen Einwirkung und Beeinflussung
schädliche politische Gegnerschaft fehlt oder mindestens nicht so ausgeprägt
ist, wie bei parlamentarischen Versammlungen; vgl. Fürst Bismarck in der
Reichstagssitzung v. 16. März 1869 St. B. 92.
Ein nicht zu vermeidender Nachteil dieses Verfahrens ist es, daß die
vorbereitenden Verhandlungen, die im Wege des Schriftwechsels oder des
diplomatischen Verkehrs zwischen den Verbündeten Regierungen und im
Bundesrat unter Vorbehalt der endgültigen Stellung stattfinden, eine Ver-
3ögerung der geschäftlichen Behandlung der Vorlagen zur Folge haben
können; dies hat der Staatssekretär des Innern Graf v. Posadowsky--Wehner
in der Reichstagssitzung v. 13. April 1907 St. B. 738B anerkannt.
Artikel 7.
Der Bundesrat beschließt:
1. über die dem Reichstage zu machenden Vorlagen und die von dem-
selben gefaßten Beschlüsse;
2. über die zur Ausführung der Reichsgesetze erforderlichen allgemeinen
Verwaltungsvorschriften und Einrichtungen, sofern nicht durch Reichs-
gesetz etwas anderes bestimmt ist;
3. über Mängel, welche bei der Ausführung der Reichsgesetze oder der
vorstehend erwähnten Vorschriften oder Einrichtungen hervortreten.
Jedes Bundesglied ist befugt, Vorschläge zu machen und in Vortrag
zu bringen, und das Präsidium ist verpflichtet, dieselben der Beratung zu
übergeben.
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