III. Bundesrat. Art. 7. 217
unter nicht Vorschriften zu verstehen seien, die nur für die Verwaltungs-
behörden gelten, sondern solche Vorschriften, die von der Verwaltung, im
Gegensatze zur Verfassung und Gesetzgebung, erlassen werden. Mit Arndt
stimmt im Ergebnis Löwe-Hellung, Kommentar zur Strafprozeßordnung
§ 376 Note 3a überein, der annimmt, daß die auf Grund des Art. 7 Ziff. 2
vom Bundesrat erlassenen Vorschriften Rechtsnormen mit Gesetzeskraft dar-
stellen können. Zorn I S. 484 f. geht im Ergebnis noch weiter als Arndt,
da er dem Bundesrat nicht auf Grund des Art. 7 Ziff. 2, sondern auf
Grund der staatsrechtlichen Stellung des Bundesrats ein sog. „selbständiges,"“
d. h. ein allgemeines, auf Ausführungsvorschriften nicht beschränktes Ver-
ordnungsrecht zuspricht.
Hierzu ist folgendes zu bemerken: Zuzugeben ist, daß der Begriff der
Verordnung, in allgemeinem Sinne genommen, eine Unterscheidung zuläßt
in Verordnungen, die nur den inneren Geschäftsbetrieb der Behörden regeln,
ohne für außerhalb der Behörden stehende Personen Rechte und Pflichten
zu begründen, und in Verordnungen, die unmittelbar sich an die Gesamt-
heit der Untertanen wenden oder wenigstens in deren Rechtsverhältnisse ein-
greifen. Diese Unterscheidung spielt z. B. eine Rolle bei der Anwendung
des § 376 St.P.O., wonach nur auf die Verletzung einer Rechtsnorm
die Revision im Strafprozeß gestützt werden darf. Das Reichsgericht
(Urt. des 2. Strafsen. v. 16. Febr. 1904, mitgeteilt in der DJur. Zeit.
1904 S. 556 Nr. 37) hat mit Recht anerkannt, daß Instruktionen der Be-
hörden für das Verhalten ihrer Beamten im inneren Dienst keine Rechts-
norm darstellen. Aber zu bestreiten ist, daß die Bezeichnungen „Verwaltungs-
verordnung“ und „Rechtsverordnung“ für diese beiden Begriffe außerhalb
der Theorie anerkannt find. Diese Bezeichnungen haben weder in die Praxis
der Gesetzgebung noch in die Praxis der Verwaltungsbehörden Eingang
gefunden. Der Begriff, der in der Theorie den Namen „Verwaltungsver-
ordnung“" führt, wird in der Dienstpragmatik sowohl des Reichs wie des
größten Bundesstaats, Preußens als „Erlaß", „Instruktion“, „Reglement“
oder „Verfügung“ bezeichnet, auch dann wenn die Anordnung der vorgesetzten
Behörde genereller Natur ist und sich auf eine unbestimmte Mehrheit von
Fällen bezieht. Der Ausdruck „Rechtsverordnung“ kommt in der Praxis
ebenfalls nicht vor. Man kann also nicht sagen, daß das Wort „Ver-
waltungsvorschrift“ schon durch seinen Wortlaut die ihm durch Laband ge-
gebene Auslegung rechtfertigt; im Gegenteil, in der Praxis werden Ver-
ordnungen, die nur für den inneren Geschäftsverkehr der Behörden bestimmt
find, in der Regel anders bezeichnet. Was die Auslegung Arndts betrifft,
so spricht der Sprachgebrauch im allgemeinen weder für noch gegen seine
Ansicht, weil bezüglich der Bezeichnung „Verwaltungsvorschriften“ die sonst
nicht üblich ist — abgesehen von der noch zu erörternden Anwendung im
Art. 37, 38 R.V. und im Vereinsgzollgesetz — ein bestimmter Sprachgebrauch
nicht nachweisbar ist. Es kann andererseits Laband I. S. 87 darin nicht
beigestimmt werden, daß der Zusatz „allgemeine“ zu dem Wort „Verwaltungs-
vorschriften“ und der weitere Zusatz „Einrichtungen“ gegen die sprachliche
Auslegung Arndts spricht. Der Zusatz „allgemeine“ weist nur auf die
Tatsache hin, daß im Art. 7 Abs. 2 an Verordnungen genereller Natur im
Gegensatz zu den auf einen Spezialfall bezüglichen Verordnungen — welch
letzere auch als Rechtsverordnungen an sich möglich wären — gedacht ist,