Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

III. Bundesrat. Art. 7. 229 
Gedanke in eine mehr bestimmte Formel nicht fassen. Namentlich in dieser 
relativen Unbestimmtheit der dem Bundesrat zustehenden Funktionen dürfte 
der Grund zu finden sein, daß in vielen Fällen der Bundesrat Sorge trägt, 
durch das Reichsgesetz, auf das sich die Verordnung beziehen soll, eine 
bestimmter gefaßte Ermächtigung zu erhalten. Die Ermächtigung kann auch 
beliebig weit begrenzt sein, so weit, daß erst die Verordnung dem Gesetz 
seinen eigentlichen Inhalt gibt, während das Gesetz etwa nur das Gebot 
enthält, zur Vermeidung einer Bestrafung der Verordnung, deren Inhalt nur 
in großen Zügen angegeben ist, Gehorsam zu leisten (sogen. Blankettgesetze). 
Die Reichsverfassung enthält keine Bestimmung, die der nachstehenden 
Vorschrift des Art. 68 der preuß. Verfassungsurkunde entspricht: 
„Nur in dem Falle, wenn die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicher- 
heit oder die Beseitigung eines ungewöhnlichen Notstandes es dringend 
erfordert, können, insofern die Kammern nicht versammelt find, unter 
Verantwortlichkeit des gesamten Staatsministeriums Verordnungen, die 
der Verfassung nicht zuwiderlaufen, mit Gesetzeskraft erlassen werden. Die- 
selben sind aber den Kammern bei ihrem nächsten Zusammentritt zur 
Genehmigung sofort vorzulegen.“ 
Derartige sogen. Notverordnungen kennt die Reichsverfassung nicht; ebenso 
Laband II S. 82 f., v. Rönne II 1 S. 56, Zorn I S. 485, Arndt S. 107, 
200. In solchen Fällen muß deshalb durch die Regierungen der Einzel- 
staaten der für das Reich erforderliche Zustand geschaffen werden oder der 
Reichskanzler muß in Erwartung späterer Indemnität und unter übernahme 
der vollen Verantwortung vorläufig die Anordnungen treffen, die bis zur 
Einberufung des Reichstags nicht aufgeschoben werden können. Dagegen 
darf der Kaiser unter den Voraussetzungen des Art. 68 R.V., d. h. wenn 
die öffentliche Sicherheit in dem Bundesgebiete bedroht und das Bundes- 
gebiet deshalb ganz oder teilweise in Kriegszustand erklärt ist, bestehende 
Reichsgesetze auf Grund des preuß. Gesetzes v. 4. Juni 1851 (Ges. S. S. 451 f..) 
zeitweise außer Kraft setzen. 
Für alle Verordnungen gilt, daß die zu ihrer Anwendung berufenen 
Behörden, Gerichte wie Verwaltungsbehörden — letztere allerdings mit der 
Einschränkung, daß sie an die Anweisung ihrer vorgesetzten Behörde ge- 
bunden sind — nachzuprüfen haben, ob die Verordnung sich innerhalb der 
Grenzen der gesetzlichen und verfassungsmäßigen Bestimmungen befindet, 
auf denen fie beruht. Ist dies nicht der Fall, so braucht sie, wie Laband II 
S. 99 mit Recht bemerkt, deshalb nicht im ganzen Umfange nichtig zu sein; 
sie kann vielmehr, soweit die gesetzliche Ermächtigung reicht, gültig, und 
nur soweit sie darüber hinausgeht, ungültig sein. Daß im übrigen die 
formellen Voraussetzungen für das gültige Zustandekommen der Verordnung 
gewahrt find, daß der Bundesrat in seiner Mehrheit tatsächlich zugestimmt 
und die sonst etwa erforderliche Mitwirkung anderer Reichsorgane und Be- 
hörden stattgefunden hat, sind Interna des Bundesrats oder des sonst etwa 
zum Erlaß der Verordnung zuständigen Organs, die von keinem Außen- 
stehenden nachzuprüfen find; das die Verordnung erlassende Organ ist dafür 
verantwortlich; vgl. Art. 2 V2 S. 65 und Laband lI S. 96f.; wegen der 
Verkündung der Verordnung vgl. Art. 2, III. 4 S. 55 f. 
Der Bundesrat ist die höchste Verwaltungsinstanz im Reich, und zwar 
für alle Gebiete, die nicht ausdrücklich dem Befehl des Kaisers unterstellt
	        
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