III. Bundesrat. Art. 7. 237
samtheit der Verbündeten Regierungen in der Ausübung derselben zu ver-
treten, sowohl gegen die Wirkung partikularistischer Bestrebungen und Sym-
pathien der Einzelstaaten wie gegen die zentralistische Neigung, verfassungs-
mäßige Rechte des Bundesrats zu Gunsten des Reichstages zu verkürzen."
Es ist unter politischen Gesichtspunkten eine ungünstige Erscheinung,
wenn eine derartige Rechtsfrage mit Stimmenmehrheit beendet wird unter
Regierungen, von denen jede geneigt sein wird, eine andere als die eigene
uberzeugung nicht anzuerkennen und die Entscheidung als Machtfrage zu
empfinden. In diesem Sinne ist Fürst Bismarcks Erklärung zu verstehen,
daß er es sich zum Verdienst anrechne, derartige Abstimmungen vermieden
zu haben, und daß, wenn dies doch nicht mehr geschehen kann, es die
gegebene Rolle des Reichskanzlers ist, gegenüber jeder sich bildenden Partei
und Interessentengruppe unabhängig im Bundesrat das verfassungsmäßige
Recht, das er als solches erkennt, zu wahren.
III. Der Ausschlag Preußens.
Art. 7 Abs. 3 bestimmt, daß bei Stimmengleichheit die Präsidialstimme
den Ausschlag gibt. Hiermit sind unzweifelhaft die 17 Stimmen Preußens
gemeint, d. h. wenn unter Mitrechnung der preußischen Stimmen sich
Stimmengleichheit ergibt, so hat das von Preußen mitvertretene Votum
den Vorrang. Der Wortlaut der Verfassung „Präfidialstimme“ ist aber
insofern von Bedeutung, als er darauf hinweist, daß politisch ein untrenn-
barer Zusammenhang zwischen Preußen und der in dem Kaiser verkörperten
Reichsleitung gegeben ist. In Ansehung der Person des Herrschers ist
dies allerdings selbstverständlich, weil zwischen dem König von Preußen
und dem Deutschen Kaiser Personeneinheit besteht; dagegen gibt es keine
Personeneinheit zwischen den verantwortlichen Männern der preußischen
Staatsregierung, nämlich den Mitgliedern des preußischen Staatsmini-
steriums, und dem Vertreter der Reichsleitung, dem Reichskanzler; letzterer
kann höchstens ein einzelnes Mitglied des preußischen Staatsministeriums
sein und ist regelmäßig, aber nicht notwendig, dessen Präfident, ohne dadurch
mehr als primus inter pares zu sein; in der Regel gehören auch einige
von seinen gesetzlichen Stellvertretern dem preußischen Staatsministerium
an, das daneben eine überwiegende Anzahl von Mitgliedern hat, nämlich
die Ressortminister, die kein Reichsamt bekleiden. Da aber im Art. 7 (wie
im Art. 5 und 37) von einer Präfidialstimme gesprochen wird und damit
die preußischen Stimmen gemeint find, so muß vorausgesetzt werden, daß
zwischen dem verantwortlichen Vertreter des Präfidiums, dem Reichskanzler,
und der von der preußischen Regierung zu instruierenden preußischen Stimme
Willensübereinstimmung besteht. Man kann daraus den Schluß ziehen,
daß es dem Geiste der Reichsverfassung entspricht, wenn — wie es, allerdings
ohne eine ausdrückliche Vorschrift weder der preußischen noch der Reichs-
verfassung, mit einer kurzzeitigen Ausnahme, stets geschehen ist — das Amt
des Reichskanzlers und das des preußischen Ministerpräsidenten von derselben
Person bekleidet wird, damit die in der Verfassung vorausgesetzte Willens-
übereinstimmung zwischen dem verantwortlichen Vertreter des Präsidiums
und dem die preußische Stimme im Bundesrat instruierenden preußischen
Staatsministerium so sehr als möglich gewahrt wird; vgl. Laband I
S. 217 und 218 A. 1.