III. Bundesrat. Art. 7. 241
Bundesrates, um juristische Gültigkeit für die Reichsgesetzgebung zu
haben, der Zustimmung eines Partikular-Landtages bedürfen könnten;
aber das ist außer Zweifel, daß jede Regierung sehr wohl tut, sich in
der Lage zu halten, daß sie ihrer eigenen Landesvertretung mit Erfolg
Rechenschaft ablegen kann über die Politik, die sie am Reiche befolgt.“
Die letzte Bemerkung gehört nicht in diesen Zusammenhang. Die Frage,
ob und wie weit die Regierungen der Einzelstaaten ihrem Landtage für
die Politik, die sie bei der Instruierung der Bundesratsbevollmächtigten
verfolgen, verantwortlich find, wird später (unter III) erörtert werden. Im
übrigen hat sich Fürst Bismarck allerdings nur aus politischen Gründen
gegen die Zulässigkeit der Mitwirkung der Landtage erklärt; ob er ver-
fassungsmäßige Bedenken hatte, geht aus seiner Ausführung nicht hervor.
Klarer hat denselben Standpunkt in neuerer Zeit, nämlich in der Sitzung
des preuß. Abgeordnetenhauses v. 29. Mai 1906 der damalige preuß. Minister
des Innern v. Bethmann Hollweg vertreten. Es handelte sich damals um
die Einführung von Diäten für die Reichstagsabgeordneten und insbesondere
um die zur Vermeidung von Doppel-Diäten getroffene Bestimmung, wonach
die Mitglieder des Reichstags in dem gleichzeitigen Bezuge von Diäten
einer anderen politischen Körperschaft beschränkt werden sollten. Ein Teil
des Abgeordnetenhauses sah hierin einen Eingriff in die preußische Ver-
fassung, und der Abg. Arendt stellte den Antrag:
„Die Staatsregierung aufzufordern, im Bundesrat dahin zu wirken,
daß Eingriffe in die Verfassung der Einzelstaaten, insbesondere Preußens,
im Wege der Reichsgesetzgebung vermieden, jedenfalls nicht ohne Ein-
vernehmen mit den Einzellandtagen vorgenommen werden.“
Der Minister des Innern führte bei dieser Gelegenheit aus (St. B. 5458
und namentlich 5484), daß abgesehen von den Bedenken, die sich aus dem
preußischen Verfassungsrecht ergeben, die Beteiligung der Landtage an der
Instruieruug der Bundesratsbevollmächtigten der Konstruktion der Reichs-
verfassung widersprechen würde, weil damit die Volksvertretung im Bundes-
rat zum Ausdruck käme, während die Reichsverfassung die Wahrnehmung der
Rechte der Volksvertretung dem Reichstag ausschließlich übertragen habe.
Diesem Standpunkt ist beizutreten. Die Landesherren find als Inhaber der
Staatsgewalt über ihre Territorien die Mitglieder des Bundes, den das
Reich darstellt; sie üben nicht nur eine ihnen von ihrem Staat übertragene
Vollmacht aus, die dem Reiche gegenüber beliebig beschränkbar ist, sondern
sie sind Mitglieder des Bundes aus eigenem, ihnen durch die Reichsver-
fassung übertragenen Recht, und dem Reiche gegenüber können daher nur sie
unter Verantwortung der Landesregierungen mit deren Vermittelung den
Bundesratsmitgliedern Vollmacht und Instruktion erteilen; dem Reiche gegen-
über wäre deshalb eine landesgesetzliche Beschränkung dieser Vertretungsvoll-
macht, die dahin geht, daß die Gültigkeit des Votums von der Zustimmung
des Landtags abhängig gemacht werde, schlechthin unwirksam. Es ist nur
die Frage aufzuwerfen, ob es zulässig ist, daß die Regierungen ihrerseits —
nicht mit Wirkung dem Reiche gegenüber, sondern bloß mit Wirkung ihnen
selbst gegenüber — die Landtage in irgend einer Form an diesem Regierungs-
geschäft teilnehmen lassen. Die Reichsverfassung enthält hierüber keine aus-
drückliche Bestimmung; man darf aber daraus nicht den Schluß ziehen, daß
es sich dabei nur um eine innere Angelegenheit der Einzelstaaten handelt.
Dambitsch. Deutsche Reichsverfafsung. 16