Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

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wie fie sonst durch ein verfassungänderndes Reichsgesetz nicht ausgeschlossen 
wäre, unmöglich ist. Was die anderen Einzelfragen betrifft: neue Ver- 
bindungen der Einzelstaaten mit dem Ausland und der Einzelstaaten unter- 
einander, Thronfolgefragen usw., so läßt fich aus der Rolle, die den 
Landesherren durch die Aufzählung im Eingange als den Trägern des 
Reichsverbandes zugewiesen ist, sowie aus der Rückwirkung solcher Ver- 
bindungen auf unmittelbare, verfassungsmäßig begründete Reichsinteressen 
nur indirekt der Schluß ziehen, daß unter den entwickelten Voraussetzungen 
die Einzelstaaten sich die Mitwirkung des Reichs bei der Regelung der 
betreffenden Angelegenheit als Korrelat des Schutzes gefallen lassen müssen, 
den ihnen das Reich zur Aufrechterhaltung des äußeren und inneren 
Friedens gewährt. Daß diese Ergebnisse freien Spielraum für die Ent- 
scheidung der Einzelfälle in bedeutendem Maße lassen, entspricht dem 
Mangel an ausdrücklichen Bestimmungen der Reichsverfassung und ist 
eine Folge, die von den geistigen Urhebern der Verfassungsurkunde gewiß 
beabsichtigt war. Die in der staatsrechtlichen Literatur über diese Fragen 
vertretenen Ansichten weichen unter sich und von der hier gegebenen Dar- 
stellung nicht unwesentlich ab — Laband I S. 120 f., Meyer S. 590fff., 599, 
Zorn 1 S. 93ff., Hänel Staatsrecht S. 347 ff., v. Rönne II 1 S. 57ff., 
v. Seydel S. 28f., v. Jagemann S. 33ff., Arndt S. 71 f., Riedel Reichs- 
verfassungsurkunde Art. 1 zu II. 
2. Die Garantie des Bundes. 
Neben der Existenz der in dem Reich vereinigten Einzelstaaten ist durch 
den Eingang der Reichsverfassung der Zusammenschluß dieser Einzelstaaten 
zu einem Bunde garantiert. Das Wort „Bund“ bringt zum Auedruck, daß 
staatsrechtlich die Grundlage des Reichs nicht dahin aufgefaßt werden darf, 
daß der eine Staat — Preußen — die anderen unter einem neuen Staats- 
namen in sich aufgenommen hat, sondern die Monarchen bez. die Senate 
der Freien Städte haben sich „verbündet“ und verfassungsmäßig besitzt 
kein einziger eine größere Selbständigkeit im Reiche als der andere. Dies 
beruht auf der historischen Tatsache, daß vor der Gründung des Reichs 
und des Norddeutschen Bundes alle Staaten, die sich zu dem neuen Reich 
zusammengeschlossen haben, in ihrer Staatsgewalt unbeschränkt waren und 
daß ihre Vereinigung auf Verträgen beruhte, die lediglich aus dem freien 
Willensentschluß der Souveräne hervorgegangen sind, wenigstens lag das 
Verhältnis staatsrechtlich so; inwiefern politische Momente da oder dort 
möglicherweise die Freiheit des Willensentschlusses beeinträchtigt haben, ist 
hier nicht von Bedeutung. Die politische Situation der Einzelstaaten, die 
der Gründung des Reichs voranging, hat Fürst Bismarck kurz und treffend 
im Reichstag bei der Verhandlung über den Verfassungsentwurf am 11. März 
1867 St. B. 136 wie folgt bezeichnet: 
„Unsere Übermacht konnten wir am allerwenigsten gegen Bundes- 
genossen anwenden, die im Augenblicke der Gefahr treu zu uns gestanden 
haben, ebensowenig gegen die, mit denen wir soeben einen völkerrecht- 
lichen Frieden auf ewig, wie wir hoffen — wie man das Wort auf 
dieser Erde zu gebrauchen pflegt — besiegelt haben. Die Bafis dieses 
Verhältnisses soll nicht die Gewalt sein, weder dem Fürsten, noch dem 
Volke gegenüber. Die Basis soll das Vertrauen zu der Vertragstreue 
Dambitsch, Deutsche Reichsverfassung. 2
	        
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