242 III. Bundesrat. Art. 7.
Denn durch eine solche Maßnahme würde ein neues Element als mitwirken-
der Faktor in die Reichsgesetzgebung eintreten und damit würde — dem
Geiste der Verfassung nach — ihr Fundament verschoben werden. Man
erkennt dies an den Konsequenzen des Antrags. Es entspricht an und für
sich schon der Entwicklung, die das moderne Verfaffungsleben genommen
hat, daß bei der Gesetzgebung der Schwerpunkt der Entscheidung sich zu-
gunsten des Parlaments verschiebt, weil wenn der auf Übereinstimmung von
Regierung und Volksvertretung aufgebaute Staatsorganismus mangels dieser
Übereinstimmung nicht mehr funktioniert, Konflikte entstehen und weil die
Regierungen vermöge ihrer größeren Verantwortung mehr an die Vermeidung
von Konflikten denken als manche Kreise der Volksvertretung. Würde
nun im Reiche die Teilnahme der Regierung an der Reichsgesetzgebung von
der Mitwirkung der Landtage der Einzelstaaten abhängig gemacht, so würde
die Regierung im praktischen Endergebnis nahezu ausgeschaltet werden.
Denn sie würde namentlich in wichtigen Angelegenheiten stets vor die Frage
gestellt sein — wenn sie die Mehrheit der Volksvertretung nicht für sich
hat — ob fie nachgeben oder einen Konflikt auf sich nehmen soll. Man
kann nicht einwenden, daß dieselbe Situation jetzt schon durch das Ver-
hältnis der Verbündeten Regierungen zum Reichstage begründet ist. Der
Ausweg bietet sich jetzt in Kompromissen, die das Verfassungsleben des
Reichs beherrschen. Wenn aber die Verbündeten Regierungen darauf an-
gewiesen wären, nicht nur mit dem Reichstage, sondern gleichzeitig und in
denselben Angelegenheiten auch Kompromisse mit den Landtagen der Einzel-
staaten zu schließen, die auf einem anderen Wahlsystem als der Reichstag
beruhen und in ihrer politischen Zusammensetzung unter sich und vom Reichs-
tag verschieden sind, so würde den Regierungen eine nahezu unlösbare Auf-
gabe zugemutet werden. Daran hat bei der Gründung des Reichs, soweit
es die Materialien der Reichsverfassung erkennen lassen, niemand gedacht
und es käme ein der Verfassung völlig fremder Gedanke in dem konstitutio-
nellen Aufbau des Reichs, wenn den Parlamenten der Einzelstaaten eine
Teilnahme an der Reichsgesetzgebung in irgend welcher Form gestattet würde.
In dem oben wiedergegebenen Antrage des Abg. Arendt war allerdings
nur ein „Einvernehmen“ mit dem Landtage verlangt und insbesondere der
Abg. v. Heydebrand und der Lasa hob in der Debatte hervor, daß damit
nicht die Zustimmung des Landtages begehrt werden sollte. Aber der prak-
tische Unterschied ist nicht groß. Denn eine Körperschaft von der politischen
Bedeutung des preußischen Landtages würde sich nicht dauernd mit der
Rolle begnügen, nur gehört zu werden und dann zuzusehen, wie die Regierung
etwa das Gegenteil seines Votums tut. Gerade dadurch würde die Gefahr
von Konflikten hervorgerufen werden. Bornhak hat in der DiJur.Zeit.
1906 S. 725 ff. bemerkt, der Unterschied zwischen dem geforderten Einver-
nehmen mit dem Landtage und einer rechtlichen Bindung der Regierung sei
derselbe wie der alte Unterschied zwischen Recht und Politik. Dies mag
richtig sein; es kommt aber hier nur auf die politische Wirkung der durch
dieses Verhältnis begründeten Abhängigkeit der Regierung an. Denn die
politische Wirkung dieser Abhängigkeit ist es, die im Widerspruch mit dem
Grundgedanken der Reichsverfassung, also mit dem geltenden Verfassungsrecht
steht, und die politische Wirkung ist ohne rechtliche Bindung nicht viel geringer
als mit der Bindung. In diesem ablehnenden Ergebnis liegt nichts, was vom