Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

252 III. Bundesrat. Art. 8. 
tion erstreckt, gilt die allgemeine Regel, daß im öffentlichen Leben die mora- 
lische und politische Verantwortung stets soweit reicht wie die tatsächliche 
Macht- und Einflußsphäre. 
3. Der den Ausschüssen innewohnenden Charakter der Dauer. 
Art. 8 bezeichnet die dort aufgezählten Ausschüsse als „dauernde“. Zur 
Bedeutung dieses Wortes hat sich Fürst Bismarck in der Sitzung des konst. 
Reichstags v. 26. März 1867 St. B. 354, 356 auf Anregungen der Abg. 
Frhr. v. Hammerstein und Twesten St. B. 354 f. dahin geäußert, daß diese 
Ausschüsse, weil auf einem dauernden Bedürfnis beruhend, als dauernde 
Einrichtung gedacht seien, daß sie nicht gerade notwendig ständig tagen 
müßten, wenngleich die ihnen durch Art. 39, 56 R.V. zugewiesenen Funk- 
tionen eine längere Unterbrechung ihrer Tagung ausschlössen, daß aber das 
Präsidium nicht das Recht in Anspruch nehme, die Ausschüsse ohne das 
Plenum zu berufen. Hierin liegt das Anerkenntnis, daß die Ausschüsse 
zum Kaiser und seinem verantwortlichen Reichsminister in keinen unmittel- 
baren Beziehungen stehen. Die Ausschüfse existieren nur von und bis zu 
dem Zeitpunkt, den das Plenum bestimmt. Ihre Dauer im Sinne des 
Art. 8 liegt nur in ihrem Wirkungskreise, der es erfordert, daß sie, wenn 
der Kaiser von seinem Recht den Bundesrat zu schließen Gebrauch machen 
sollte, bei der neuen Berufung des Bundesrats stets wieder von neuem ein- 
gesetzt werden und in Tätigkeit treten müssen. Allerdings setzen gewisse den 
Ausschüfsen zugewiesene Funktionen (Art. 39, 56) eine nahe zuständige Aktions- 
bereitschaft voraus. Schwierigkeiten entstehen daraus in der Praxis nicht, 
weil tatsächlich der Bundesrat überhaupt nicht mehr geschlossen wird. Doch 
würde nichts entgegenstehen, daß mit Zustimmung des Plenums die Aus- 
schüsse auch ohne das Plenum zusammentreten. 
II. Die Besetzung der Ausschüsse. 
Art. 8 bestimmt, daß die Ausschüsse „aus der Mitte“ des Bundesrates 
gebildet werden. Dies bedeutet, daß nur Mitglieder des Plenums Mitglieder 
der Ausschüsse sein dürfen; ebenso Laband 1 S. 262, v. Seydel S. 150. 
Art. 8 bestimmt ferner, daß die Mitglieder des Zoll-, Handel-, Eisen- 
bahn., Justiz= und Rechnungsausschusses vom Bundesrate gewählt werden. 
Nach einem bei Laband S. 263 angeführten Beschlusse des Bundesrats von 
1872 (Protokoll § 87), der in die Geschäftsordnung des Bundesrats auf- 
genommen ist, wird diese Bestimmung der Verfafsung nicht wörtlich, sondern 
in der Weise ausgeführt, daß der Bundesrat nur noch die Staaten wählt, 
die in dem Ausschuß vertreten sein sollen. In Ansehung der preußischen 
Bevollmächtigten findet daher überhaupt keine Wahl mehr statt, ebensowenig 
bezüglich des bayrischen Bevollmächtigten, der den ständigen Sitz Bayerns 
in dem Ausschuß für das Landheer und die Festungen einnimmt. Dieses 
Verfahren beruht nicht auf dem Wortlaut der Reichsverfassung. Aber ein 
dem Wortlaut des Art. 8 entsprechendes Verfahren würde nicht praktisch sein, 
und nicht im Sinne der allgemeinen Grundsätze liegen, die für die Ein- 
richtung des Bundesrats maßgebend sind. Denn die Regierungen könnten 
wie jeden ihrer Bevollmächtigten, so auch das gewählte Mitglied des Aus- 
schusses jederzeit abberufen und damit würde eine Neuwahl erforderlich sein;
	        
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