IV. Präsidium. Art. 11. 271
Der Titel „König von Preußen“ ist keineswegs infolge der Einführung
des Kaisertitels außer Anwendung gekommen. Keiner von beiden Titeln
ist höher als der andere, sondern beide bezeichnen etwas verschiedenes. In
rein preußischen Angelegenheiten wird in der Regel nur der Titel „König von
Preußen“ gebraucht, in allen anderen Angelegenheiten werden beide Titel
nebeneinander angewendet. Eine Ausnahme bildet die Formel für den Dienst-
eid der unmittelbaren Reichsbeamten. Nach der Kaiserlichen Verordnung
v. 29. Juni 1871 R.G. Bl. S. 303 wird der Diensteid von diesen Beamten
nur auf den Namen des Kaisers geleistet. Nach dem Kaiserlichen Erlaß
v. 3. August 1871 R.G. Bl. S. 318 und 458 find auch die vom Kaiser als
solchem ernannten Behörden und Beamten als kaiserliche zu bezeichnen.
Über das kaiserliche Wappen enthält dieser Erlaß ebenfalls Bestimmungen.
Der Titel des Kronprinzen (Kronprinz des deutschen Reichs mit dem Prä-
dikate: Kaiserliche Hoheit) ist durch einen Kaiserlichen Erlaß geregelt, der
im preuß. Min. Bl. f. d. in. Verw. 1871 S. 2 veröffentlicht ist.
III. Die persönliche Rechtsstellung des Kaisers.
Die Reichsverfassung enthält keine besonderen Bestimmungen über die
persönliche Stellung des Kaisers. Da aber im Art. 11 die Vereinigung
der Kaiserwürde mit der des Königs von Preußen festgesetzt ist, so beziehen
sich die durch die preußische Verfassung für die persönliche Stellung des Königs
von Preußen gegebenen Regeln auf die Kaiserwürde des Königs von Preußen,
soweit es nicht durch die Natur dieser Bestimmungen ausgeschlossen ist.
Insbesondere gilt die im Art. 43 der preuß. Verfassungsurkunde gegebene
Vorschrift, daß die Person des Königs unverletzlich ist, auch für das Reich.
In der Reichsverfassung ist dies nicht ausdrücklich anerkannt, hat aber eine
indirekte Bestätigung durch Art. 17 gefunden, wonach der Kaiser für keine
Regierungshandlung verantwortlich, die Verantwortung vielmehr dem Reichs-
kanzler übertragen ist. Auch für die Staatsgewalt, die der Kaiser in Elsaß-
Lothringen nach dem Ges. v. 9. Juni 1871 betr. die Vereinigung von Elsaß-
Lothringen mit dem Deutschen Reiche R.G.Bl. S. 212 ausübt, ist er von
jeder Verantwortung entbunden (§ 4); die Einzelheiten über die Verant-
wortung für diese Regierungsverhandlungen bestimmt das Reichsgesetz betr.
die Verfassung und die Verwaltung Elsaß--Lothringens v. 4. Juli. 1879
N.G. Bl. S. 165 §§ 1—4. Die Unverantwortlichkeit des Kaisers bezieht sich
nicht nur auf Regierungshandlungen, sondern gilt in jeder Beziehung. Denn
der König von Preußen ist nach Art. 43 der preuß. Verfassungsurkunde un-
verletzlich, und der Kaiser kann nicht verletzt werden, ohne daß zugleich in
seiner Person der König von Preußen verletzt wird.
Ferner folgt aus der Verbindung der preußischen mit der Kaiserkrone,
daß die Vererblichkeit der beiden Kronen nach den gleichen Grundsätzen
sich regelt. Nach Art. 53 der preuß. Verfassungsurkunde ist die Krone den
Königlichen Hausgesetzen gemäß erblich in dem Mannesstamme des König-
lichen Hauses nach dem Rechte der Erstgeburt und der agnatischen Lineal-
folge. Nach Art. 54 wird der König mit Vollendung des 18. Lebensjahres
volljährig. Dies muß auch für den Kaiser gelten — ebenso v. Seydel
S. 154, v. Rönne 1l S. 225. Damit werden diese Bestimmungen der
preuß. Verfassungsurkunde keinesweg zu Vorschriften des Reichsrechts, son-