Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

286 IV. Präsidium. Art. 11. 
sehr ausgedehntem Maße der Fall — kontrollierende Befugnisse zu. Der 
Kaiser ist ferner der Oberbefehlshaber des Heeres und der Flotte im Krieg 
und Frieden — Art.. 63, 64, 53 R.V. — und ist befugt, zur Aufrecht- 
erhaltung der öffentlichen Sicherheit das Bundesgebiet ganz oder teilweise 
in Kriegszustand zu erklären; Art. 68. An der Gesetzgebung ist zwar der 
Kaiser als solcher nicht beteiligt und in der Verwaltung ist er zum Teil 
durch den Bundesrat beschränkt, aber ihm ist mit der Verkündigung der 
Reichsgesetze die wichtige Funktion der Nachprüfung des verfassungsmäßigen 
Zustandekommens der Gesetze zugewiesen, und Bundesrat und Reichstag 
können erst auf seine Berufung in Tätigkeit treten; er kann die Wirksamkeit 
beider Organe zum Abschluß bringen (durch Schließung oder Vertagung; 
Art. 12 R.V.) und er kann mit Zustimmung des Bundesrats den Reichstag 
auflösen; Art. 24 R.V. Durch viele Reichsgesetze ist dem Kaiser das 
Recht zum Erlaß von Ausführungsverordnungen übertragen und damit ist 
die entsprechende, auf Art. 7 Ziff. 2 R.V. beruhende allgemeine Befugnis 
des Bundesrats eingeschränkt. Der Kaiser übt ferner die Staatsgewalt in 
Elsaß-Lothringen und die Schutzgewalt in den deutschen Schutzgebieten aus; 
vgl. § 3 des Reichsgesetzes betr. die Vereinigung von Elsaß-Lothringen mit 
dem Deutschen Reich v. 9. Juni 1871 R.G.Bl. S. 212 und § 1 des Schutz- 
gebietsgesetzes v. 10. Sept. 1900 R.G.Bl. S. 813. Im Zusammenhang mit 
der Stellung des Kaisers als des obersten Chefs der Verwaltung des Reichs 
steht es, daß der Kaiser, wie zwar nicht in der Verfassung oder in anderen 
Reichsgesetzen allgemein bestimmt, aber anerkannt ist, berechtigt ist, das 
Reich nicht nur völkerrechtlich, sondern auch in allen dem Gebiete des 
Privatrechts angehörenden Verhältnissen, insbesondere bei allen privat- 
rechtlichen Verträgen zu vertreten; vgl. Laband I S. 210 ff., Meyer §121 A. 4. 
C. Staatsverträge des Reichs. 
I. Die Machtvollkommenheit des Kaisers zum Abschluß von Bündnissen 
und anderen Verträgen mit fremden Staaten. 
Nach Art. 11 steht dem Kaiser in Konsequenz seiner Befugnis zur 
völkerrechtlichen Vertretung des Reichs das Recht zu „Bündnisse und an- 
dere Verträge mit fremden Staaten einzugehen". Diese Bestimmung wird 
eingeschränkt durch Abs. 3 des Art. 11, wonach die Verträge mit fremden 
Staaten, wenn sie sich auf solche Gegenstände beziehen, die nach Art. 4 in den 
Bereich der Reichsgesetzgebung gehören, der Mitwirkung des Bundesrats und 
Reichstags bedürfen. Daraus ergibt sich, daß der Kaiser bezüglich der Gegen- 
stände, die nicht in dem Bereich des durch Art. 11 Abs. 3 umgrenzten Gebiets 
liegen, frei ist. Hierher gehören insbesondere die völkerrechtlichen Alliancen, 
die keinen anderen Zweck verfolgen, als eine gegenseitige Deckung für den 
Kriegsfall. Diese Alliancen fallen unter den Begriff der „Bündnisse“, die im 
Art. 11 als ein Bestandteil des umfassenderen Begriffs der Verträge besonders 
hervorgehoben sind. Das wichtigste Beispiel ihrer Art ist der zwischen 
Deutschland, Osterreich-Ungarn und Italien geschlossene Dreibund. Man 
vergleiche die Erklärungen des Reichskanzlers Fürst Bülow über den Charakter 
des Dreibundes v. 19. März 1903 St. B. S. 8720D u. v. 7. Dez. 1905, aus 
denen hervorgeht, daß bei dem Dreibund eine Einwirkung auf Materien
	        
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