IV. Präsidium. Art. 11. 289
Staaten einzugehen, bei Verträgen mit Österreich und der Schweiz die
angrenzenden Vereinsstaaten zur Teilnahme an den dem Abschluß voran-
gehenden Verhandlungen einladen. Im Falle eine Übereinstimmung nicht
zu erzielen, wird es dessenungeachtet bei der Bestimmung des 86 sein
Bewenden behalten.“
Der hier angezogene § 6 des Art. 8 des Zollvereinigungsvertrages ent-
hält die dem Art. 11 R.V. entsprechende Bestimmung (B. G. Bl. S. 94),
und ist jetzt durch Art. 11 R.V. ersetzt, die Vorschrift des Schlußprotokolls
ist dagegen auf Grund des Art. 40 R.V. in Kraft geblieben; val. Delbrück
S. 49f. Ein Veto gegen den Abschluß der Verträge steht also, falls eine
bereinstimmung nicht zu erzielen ist, diesen Staaten nicht zu.
2. Die zweite Ausnahme ergibt sich aus Nr. XI des Schlußprotokolls
zum Bündnisvertrage mit Bayern v. 23. Nov. 1870 B. G. Bl. 1871 S. 25:
„Es wurde allseitig anerkannt, daß bei dem Abschlusse von Post-
und Telegraphenverträgen mit außerdeutschen Staaten zur Wahrung der
besonderen Landesinteressen Vertreter der an den betreffenden außer-
deutschen Staaten angrenzenden Bundesstaaten zugezogen werden sollen.“
Diese Vorschrift hat nur für Bayern und Württemberg noch Be-
deutung, weil nur diese Staaten eine eigene Postverwaltung besitzen; für
sie ist die Bestimmung durch Art. 52 R.V. nicht beseitigt; ebenso Laband II
S. 140 A. 3
II. Die Befugnis der Einzelstaaten zum Abschluß
von Staatsverträgen.
Es ist unbestritten, daß durch die auf Grund des Art. 11 dem Kaiser
zustehenden Befugnisse das Recht der Einzelstaaten, für ihr Staatsgebiet
Staatsverträge, sei es unter einander, sei es mit dem Auslande abzuschließen,
nicht aufgehoben ist. Vielmehr ist dieses Recht nur soweit beschränkt wie
das Gesetzgebungsrecht der Einzelstaaten. Demgemäß ist das Vertragsrecht
der Einzelstaaten ausgeschlossen für diejenigen Materien, die ihrer Gesetz-
gebung und Verwaltung entzogen find oder für die dem Reich die aus-
schließliche Befugnis zur Gesetzgebung übertragen ist. Hierher gehbrt das
Gebiet der auswärtigen Politik mit der einzigen Ausnahme der die Ge-
sandtschaften betreffenden Angelegenheiten, soweit die diplomatische Vertretung
der Einzelstaaten noch zulässig ist. Die Einzelstaaten dürfen also nicht Ver-
träge schließen, die auf den Kriegsfall oder auf ihre allgemeine politische
Stellung dem Auslande gegenüber berechnet find, weil dies in den Bereich
der dem Kaiser vorbehaltenen auswärtigen Politik fällt. Sie dürfen aus
demselben Grunde sich in Staatsverträgen nicht mit dem Kolonialwesen be-
fassen. Ebenso ist ausgeschlossen die Einmischung in die Verfassung, Organi-
sation und Finanzwirtschaft des Reichs, in das Konsulatswesen, die Handels-
politik, das Zoll- und indirekte Steuerwesen, soweit es sich um indirekte
Steuern handelt, die dem Reich vorbehalten find. Für das Post= und
Telegraphenwesen haben nur Bayern und Mürttemberg das Vertragsrecht
behalten, weil nur diese beiden Staaten eine eigene Postverwaltung befitzen;
für Bayern und Württemberg ist das Vertragsrecht sogar durch Art. 50
Abs. 6 und Art. 52 Abs. 8 R.V. ausdrücklich anerkannt. Bezüglich des
Militärwesens find Verträge der Einzelstaaten mit dem Auslande durch den
Dambitsch, Deutsche Reichsverfassung. 19