IV. Präsidium. Art. 11. 297
Tat berufen. Denn der von Gneist, Laband u. a. vertretenen Anficht ist
darin beizutreten, daß auch ohne die vorgeschriebene Mitwirkung des Bundes-
rats und Reichstags der Vertrag dem Auslande gegenüber wirksam ist und
daß es lediglich eine interne Angelegenheit der Reichsverwaltung ist, wie
sie sich wegen eines solchen Vertrages mit dem Bundesrat und Reichstag
auseinandersetzt. Diese Ansicht wird mit Recht auf die bei Laband II
S. 134 f. und Arndt S. 710 ausführlich wiedergegebenen Verhandlungen
des konst. Reichstages v. 2. April 1867 St. B. 518f. über Art. 50 R.V. ge-
stützt. Die Bestimmung des Art. 11, daß Staatsverträge zu ihrer Gültig-
keit der Genehmigung des Reichstages bedürfen, beruht auf einem Antrage
des Abg. Lette, (Anlagen 1 Nr. 17 Ziff. 1 S. 41), der am 26. März 1867
St. B. 374 ohne Debatte angenommen wurde. Bei der Verhandlung über
Art. 50 stellte der Abg. Erxleben den — übrigens abgelehnten — Antrag,
wegen der von dem Bunde abzuschließenden Postverträge einen Hinweis auf
Art. 11 in den Art. 50 aufzunehmen, und bei dieser Gelegenheit erklärte
der Abg. Lette, daß mit seinem Amendement (zu Art. 11) nichts anderes
gemeint sei als die entsprechende Bestimmung der preußischen Verfasfung,
und er und nach ihm der Abg. Erxleben hoben hervor, daß sie nur an die
nachträgliche Genehmigung des Reichstags dächten. Die entsprechende Be-
stimmung der preußischen Verfassung — Art. 48 — lautet:
„Der König hat das Recht Krieg zu erklären und Frieden zu schließen,
auch andere Verträge mit fremden Regierungen zu errichten. Letztere
bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Zustimmung der Kammern, sofern es
Handelsverträge sind, oder wenn dadurch dem Staate Lasten oder einzelnen
Staatsbürgern Verpflichtungen auferlegt werden.“
Auch hier ist zwar nicht zum Ausdruck gebracht, welche Wirkung ein
ohne die erforderliche Zustimmung der Kammern geschlossener Staatsvertrag
ausübt. Man nimmt aber an, daß diese Bestimmung mit Rücksicht auf
ihre aus der belgischen Verfassung herrührenden Ursprung nur die Be-
deutung gehabt hat, den König staatsrechtlich, nicht völkerrechtlich, an die
Zustimmung der Kammern zu binden. Ferner wird von denjenigen, die
diese Ansicht für das Reichsrecht vertreten, geltend gemacht, daß nicht nur
die Bezugnahme auf das preußische Recht in der Erklärung des Abg. Lette,
sondern auch seine und des Abg. Erxleben Außerung, daß an eine nach-
trägliche Genehmigung des Reichstags gedacht werde, auf die hier vertretene
Ansicht hinweise, weil eine „nachträgliche“ Genehmigung voraussetze, daß
der Staatsvertrag auch ohne diese Genehmigung gültig, d. h. dem Auslande
gegenüber gültig zustande gekommen sein müsse. Bezüglich der Zustimmung
des Bundesrats gilt dasselbe, obwohl im Art. 11 R.V. die Mitwirkung des
Bundesrats anders bezeichnet ist als die des Reichstags — „Zustimmung
zum Abschluß"“ in dem einen Falle, „Genehmigung zur Gültigkeit“ in dem
anderen Falle — wenigstens wird diese Ansicht von Laband a. a. O. S. 137f.
Meyer S. 793 und Arndt S. 711 vertreten unter Hinweis darauf, daß in
den Ratifikationsurkunden der Staatsverträge der Zustimmung des Bundes-
rats nicht Erwähnung getan wird, während dies sicherlich geschehen würde,
wenn die Tatsache der Zustimmung für die Gültigkeit des Vertrages dem
Auslande gegenüber von Bedeutung wäre. Es besteht jedenfalls kein stich-
haltiger Grund das Gegenteil anzunehmen. Ubrigens ist die praktische
Bedeutung der Frage in Ansehung des Bundesrats noch viel geringer,