300 IV. Präsidium. Art. 11.
zwar dem Civilrecht entnommenen, aber für das öffentliche Recht nicht
weniger gültigen Rechtsgrundsatz stellt eine mit Abänderungen verbundene
Genehmigung nichts anderes dar als eine bedingte Genehmigung, d. h.
eine Genehmigung, die an die Bedingung geknüpft ist, daß vom Kaiser
und Bundesrat ihrerseits die vom Reichstage vorgeschlagenen Abänderungen
genehmigt werden. Eine bedingte Genehmigung aber bedeutet die Ablehnung
des Vertrages, verbunden mit dem Vorschlage eines neuen, die beantragten
Abänderungen enthaltenden Vertragsentwurfes, und mit einem auf Feststellung
eines neuen Vertragsentwurfes gerichteten Beschlusse würde der Reichstag
die Initiative beanspruchen, die ihm wohl für die Gesetzgebung, aber nach
der klaren Bestimmung des Art. 11 nicht für Staatsverträge zusteht, da
auf diesem Gebiet die Initiative eine ausschließliche Prärogative des
Kaisers ist. In der Tat würde, wenn solche Abänderungsvorschläge zulässig
wären, nichts anderes übrig bleiben, als daß die Bevollmächtigten des
Kaisers von neuem die Verhandlungen mit dem betreffenden Auslandsstaate
beginnen, und es ist gegenüber dieser Rechtslage auch unerheblich, ob
dem Reichstag der durch die Verhandlungen mit der auswärtigen Macht
festgestellte Vertragsentwurf oder der bereits ratifizierte Vertrag zur Ge-
nehmigung vorgelegt wird. Der Reichstag kann also die ihm vorgelegten
Staatsverträge oder Vertragsentwürfe nur unbedingt annehmen oder ab-
lehnen. Man war sich über diese Konsequenz der im Art. 11 für die
Mitwirkung des Reichstags gewählten Fassung schon bei der Annahme
der Reichsverfassung im Reichstage klar. Bezeichnend ist hierfür nach-
stehende Außerung des Abg. Schulze (Reichstagssitzung v. 5. Dez. 1870
St. B. S. 72):
„Bei Vorlegung eines Handelsvertrages läuft die Kritik, mit der man
dann in der Regel hervorzutreten außerordentlich bereit ist, schließlich
stets auf den Satz hinaus: Ja, es ist vieles schlecht, aber den Vertrag
zu verwerfen, geht doch nicht an, wir werden ihn schließlich mit allen
Mängeln annehmen müssen.“"
Das Verhältnis ist analog wie bei gewissen Verordnungen des Kaisers
oder des Bundesrats, für die es der Genehmigung des Reichstags bedarf.
Auch hier darf im Gegensatz zu Gesetzentwürfen die Genehmigung nur
unbedingt erteilt oder sie muß abgelehnt werden. Für diesen Fall erkennt
dies Laband I S. 280 A. 1 an; vgl. auch die bei Art. 5 A 3a S. 1738 ge-
nannten Ausführungen des Staatssekretärs des Innern Graf Posadowsky-
Wehner aus der Reichstagssitzung v. 21. April 1903 St. B. 8915. Auf
den vorliegenden Fall übertragen bedeuten diese Ausführungen, daß die
Genehmigung mit Abänderungsvorschlägen staatsrechtlich die Ablehnung,
verbunden mit der Aufstellung eines neuen, aus der Initiative des Reichs-
tags hervorgegangenen Vertragsentwurfes darstellt. Da der Reichstag aber
nicht berufen ist, in Angelegenheiten von Staatsverträgen die Initiative zu
ergreifen, so folgt daraus, daß Abänderungen des Vertrages von ihm nicht
vorgenommen werden dürfen; vgl. auch die vom Staatssekretär des Innern
Graf Posadowsky-Wehner in der Reichstagssitzung v. 11. Febr. 1905 St.B.
4481 C abgegebene Erklärung:
„Der Reichstag ist nicht vertragschließend, sondern vertragschließend
ist das Präsidium, S. M. der deutsche Kaiser. Der Reichstag hat nach
der Reichsverfassung nur das Recht die Verträge zu genehmigen. Wer