304 IV. Präsidium. Art. 11.
an nicht in Ordnung ist; denn Formfehler können nach dieser Richtung
unmöglich vermutet werden. Natürlich wird dabei vorausgesetzt, daß die
Bekanntmachung nicht in einer beliebigen Druckschrift, sondern — wenn
nicht im Reichsgesetzblatt — dann in einem anderen amtlichen Blatt er-
folgt, dessen Herstellung eine Garantie dafür bietet, daß seine amtlichen
Veröffentlichungen mit Wissen und Willen des Reichskanzlers oder eines
seiner verantwortlichen Stellvertreter erfolgen; anderer Ansicht ist Laband II
S. 152 A. 1 und die dort angeführten Schriftsteller. Die hier vertretene
Ansicht steht in Übereinstimmung mit einer von Laband a. a. O. angeführten
und von ihm angefochtenen Entsch, des Reichsgerichts v. 24. Jan. 1898,
die in der Beilage zum Reichsanzeiger 1898 S. 125 ff. abgedruckt ist.
Im Reichsgesetzblatt wird gewöhnlich neben dem Originaltext eine
übersetzung abgedruckt. Maßgebend ist natürlich bei Differenzen zwischen
Original= und Übersetzungstext der erstere. Wenn neben dem deutschen
Text ein französischer abgedruckt ist, so ist in der Regel der französische der
Originaltext, weil französisch die Sprache der Diplomatie ist und weil
demzufolge die Einigung über den Inhalt des Vertrages auf Grund des
französischen Textes stattgefunden hat. Fehler der Übersetzung können nach
dem Originaltext jederzeit korrigiert werden, denn die Übersetzung ist nur
ein sprachliches Hülfsmittel und staatsrechtlich ohne Bedeutung; vgl. die
Erklärung des Staatssekretärs des Innern, Graf Posadowsky-Wehner in der
Reichstagssitzung v. 7. Dez. 1906 St. B. 4241, Zorn in der D.ur.Zeit. 1907
S. 89 f. und Pohl in Hirth's Annalen 1907 S. 154 ff.
VI. Die Ausführung der Staatsverträge.
Für die Ausführung der Staatsverträge Sorge zu tragen, liegt der
Reichsverwaltung ob. Die erforderlichen Ausführungsvorschriften werden ge-
mäß Art. 7 vom Bundesrat, und wenn es sich um Angelegenheiten handelt,
für die der Kaiser die höchste Verwaltungsinstanz bildet — auswärtige
Politik, Konsulatswesen, Landheer und Marine, Post und Telegraphen —
von der Reichsverwaltung allein erlassen. Ist zur Ausführung noch eine
Mitwirkung des ausländischen Staats erforderlich, so können die Aus-
führungsvorschriften in Form eines Vertrages vereinbart werden, der einer
neuen Genehmigung des Reichstags nicht bedarf, weil er keinen Eingriff
in die Reichsgesetzgebung enthält — ebenso Laband II S. 158, Zorn l
S. 508. Die Gegenzeichnung des Reichskanzlers ist natürlich gemäß Art. 17
R. V. stets erforderlich. Geht aber der von der Reichsverwaltung allein
geschlossene Vertrag über die Grenzen des Gebietes hinaus, innerhalb deren
die Reichsverwaltung, sei es auch unter Mitwirkung des Bundesrats, oder
letzterer ausschließlich zum Erlaß von Verordnungen befugt ist,. so ist die
Genehmigung des Reichstages selbst in noch so dringenden Fällen not-
wendig, weil die Reichsverfassung kein Notverordnungsrecht kennt und des-
halb vom Bundesrat oder Reichskanzler auch auf dem Gebiete des Ver-
tragsrechts nicht entsprechende Befugnisse ausgeübt werden dürfen. Anderes-
falls muß der Reichstag um Indemnität ersucht werden; vgl. R.G.Bl. 1883
S. 303. Eine Ausnahme besteht nur auf Grund des Art. 50 Abs. 2 für
das Post= und Telegraphenwesen. Hier kann der Kaiser selbständig auch
solche Verträge schließen, die materiell nicht mehr in das Gebiet der Aus-