Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

IV. Präsidium. Art. 11. 305 
führungsvorschriften, sondern in das der Gesetzgebung fallen würden. Diese 
Bestimmung ist durch Art. 48 Abs. 2 R.V. in Einklang mit den all- 
gemeinen Grundsätzen gebracht, weil danach die entsprechenden Festsetzungen, 
wenn sie sich ausschließlich auf das Inland beziehen, ebenfalls nicht im 
Wege der Gesetzgebung, sondern in dem der Verordnung geregelt werden. 
Ubrigens steht nichts entgegen, daß der Reichstag in der Form eines Reichs- 
gesetzes auch für andere Materien dem Kaiser oder Bundesrat die Er- 
mächtigung gewährt, Staatsverträge, zu denen an sich die Genehmigung 
des Reichstages erforderlich wäre, selbständig zu schließen. Dies wird ins- 
besondere dann geschehen können, wenn der Inhalt des Vertrages schon in 
dem Ermächtigungsgesetz einigermaßen bestimmt ist und wenn den Exekutiv- 
organen des Reichs — Kaiser und Bundesrat — für die Durchführung 
der auswärtigen Politik des Kaisers außerordentliche, sofort wirksame Mittel 
an die Hand gegeben werden sollen. Ein Beispiel bieten die Reichsgesetze 
betr. die Handelsbeziehungen zum Britischen Reiche v. 20. Dez. 1905 R.G. Bl. 
S. 773, v. 16. Dez. 1907 R. G. Bl. S. 771 und v. 13. Dez. 1909 R. G. Bl. 
S. 979, durch die der Bundesrat ermächtigt ist, England und den britischen 
Kolonien für die Zeit bis Ende 1907 bez. Ende 1909 und Ende 1911 die 
Meistbegünstigung zu gewähren. Eine ähnliche Ermächtigung wurde gegenüber 
den Vereinigten Staaten von Amerika dem Bundesrat für die Zeit bis zum 
30. Juni 1907 durch das Reichsgesetz v. 26. Febr. 1906 (R.G.Bl. S. 355) 
gegeben, während seit diesem Zeitpunkt die Handelsbeziehungen zu den Ver- 
einigten Staaten durch einen Vertrag geregelt find (R.G. Bl. 1907 S. 305). 
VII. Die Aufhebung der Staatsverträge. 
Staatsverträge verlieren ihre Kraft, und zwar, wenn sie für eine be- 
stimmte Zeit eingegangen find, ohne weiteres mit dem Ablauf dieser Zeit. 
Ist die Zeit nicht schon von Anfang an bestimmt, enthält aber der Ver- 
trag eine Kündigungsklausel, so steht es im freien Ermessen des Kaisers, 
ob er von der Klausel Gebrauch machen will oder nicht. Man braucht 
sich für diese Feststellung nicht nur darauf zu stützen, daß Bundesrat 
und Reichstag durch die vorbehaltlose Genehmigung des Vertrages in allen 
seinen Teilen auch die Kündigungsklausel gebilligt und damit dem Kaiser 
das freie Kündigungsrecht ausdrücklich eingeräumt haben. Der Kaiser hat 
vielmehr dieses Recht ipso jure nach Art. 11 R.V., weil er nach Abfk. 1 
des Art. 11 bezüglich des Vertragsrechts grundsätzlich unbeschränkt und 
weil nach Abs. 3 eine Ausnahme von dieser Regel nur soweit zugelassen 
ist, als es sich um den Abschluß bestimmter Verträge handelt. Als eine 
Ausnahmebestimmung ist diese Vorschrift nicht extensiv auszulegen. Die 
Tätigkeit des Bundesrats und Reichstags ist verfassungsgemäß beendet, so- 
bald der Vertrag auf Grund ihrer Zustimmung bez. Genehmigung ins 
Leben getreten ist. Wollen sie erreichen, daß der Vertrag eine bestimmte 
Dauer habe, so bleibt den gesetzgebenden Körperschaften nur übrig, darauf 
hinzuwirken, daß die Dauer schon durch den Vertrag begrenzt werde. Ge- 
bunden ist der Kaiser nur durch den Inhalt des Vertrages selbst, also bloß 
dem Ausland gegenüber. Die Rücksicht auf das Ausland gestattet es aller- 
dings der Reichsverwaltung nicht, den Vertrag vor der vereinbarten Zeit 
außer Kraft zu setzen, es sei denn, daß die besonderen, dem Völkerrecht 
Dambitsch, Deutsche Reichsverfassung. 20
	        
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