Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

IV. Präsidium. Art. 17. 337 
tive die Verpflichtung haben, erstreckt sich die Verantwortung des Reichs- 
kanzlers dort, wo zu handeln Pflicht ist, auf schuldhafte Unterlassungen; er 
kann seine Verantwortlichkeit mit der Unterlassung eines kaiserlichen Befehls 
oder mit dem Fehlen der Initiative des Landesherrn nicht decken. 
b) Die Verantwortlichkeit des Reichskanzlers 
für die Bertretung des Reichs nach außen und im Innern. 
Der Wirkungskreis des Reichskanzlers, abgesehen von seiner Stellung im 
Bundesrat, deckt sich mit den Machtvollkommenheiten des Kaisers, da der 
Reichskanzler als Minister des Kaisers dessen Befugnisse im Reiche ausübt, 
mit der schon hervorgehobenen, die Kommandogewalt des Heeres und der 
Marine und die Verwaltung von Elsaß-Lothringen betreffenden Ausnahme. 
Daraus ergibt sich die Vertretungsbefugnis des Reichskanzlers nach außen 
im Umfange der dem Kaiser durch Art. 11 R.V. verliehenen Rechte ohne 
weiteres. Der Reichskanzler hat kraft seines Amtes die Generalvollmacht 
zur Vertretung des Reichs nach außen, die dem Kaiser durch Art. 11 er- 
teilt ist. Andere Behörden, Gesandtschaften, Konsulate usw. bedürfen einer 
besonderen Vollmacht des Reichskanzlers, die natürlich der Kaiser nach Be- 
lieben selbst ausstellen kann. Den dem Reichskanzler unterstellten Behörden 
darf im Rahmen ihres gewöhnlichen Geschäftskreises zur Vertretung des 
Reichs nach außen auch Generalvollmacht erteilt werden, und eventuell kann 
eine solche Vollmacht schon in ihrer Bestallung zu dem Amte selbst liegen. 
Die Vertretungsbefugnis des Reichskanzlers im Innern, bei der es sich 
meistens um Rechtsgeschäfte privatrechtlichen Inhalts oder z. B. um Ersatz- 
ansprüche des Reichs gegen haftpflichtige Beamte handeln dürfte, beruht 
zwar auf keiner positiven Bestimmung der Reichsverfassung, aber mangels 
einer solchen Bestimmung kann nur der Reichskanzler zur Vertretung des 
Reichsfiskus berechtigt sein. In Betracht kommen könnte vielleicht der 
Bundesrat, der neben seiner Beteiligung an der Gesetzgebung Verwaltungs- 
aufgaben hat und überall, wo er als Verwaltungsorgan auftritt, die letzte 
Instanz bildet. Aber es ist anerkannt, daß der Bundesrat nicht das Exe- 
kutivorgan des Reichs schlechthin ist, sondern nur diejenigen Verwaltungs- 
befugnisse hat, die ihm durch positive Bestimmungen der Reichsverfassung 
zugewiesen sind. Alle anderen Funktionen, darunter die Vertretung des 
Reichsfiskus bleiben für den Reichskanzler übrig; vgl. Laband 1 S. 353, 
Hensel in Hirth's Annalen 1882 S. 1ff.; vgl. ferner Art. 11 B V S. 286. 
Jc) Die Berantwortlichkeit des Reichskanzlers 
für die Uberwachung der Ausführung der Reichsgesetze. 
Nach Art. 17 steht dem Kaiser die üÜberwachung der Ausführung der 
Reichsgesetze zu. Auch diese Machtvollkommenheit ist vom Reichskanzler 
als dem verantwortlichen Reichsminister auszuüben. Seine Überwachungs- 
tätigkeit erstreckt sich auf das Reich selbst, d. h. auf die in eigener Ver- 
waltung des Reichs stehenden Geschäftszweige, wie auf die Einzelstaaten. 
Die Regierungen der Einzelstaaten werden dadurch nicht von ihrer Ver- 
antwortlichkeit für die Ausführung der Reichsgesetze entlastet, sondern ihre 
Staatsminister sind nach wie vor nach Maßgabe ihres Landesstaatsrechts 
dafür verantwortlich, daß das innerhalb ihres Staatsgebietes geltende Recht, 
zu welchem die Reichsgesetze gehören, wirklich ausgeführt wird. Aber neben 
Dambitsch, Deutsche Reichsverfassung. 22
	        
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