Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

IV. Präsidium. Art. 17. 339 
Einigung führt, sie zur Beseitigung des beanstandeten Verfahrens formell 
auffordern. Das Recht der Reichsverwaltung zur Überwachung schließt das 
Recht ein, von den Regierungen der Einzelstaaten Auskunft zu erfordern; 
vgl. Laband II S. 194. Dagegen ist die nach Art. 68 Abs. 3 und Art. 36 
Abs. 2 R.V. dem Kaiser zustehende Befugnis, sich jederzeit durch Inspektionen 
von der Verfassung der Militär-Kontingente zu überzeugen und auf dem 
Gebiete der Zölle und Verbrauchssteuern die Einhaltung des gesetzlichen 
Verfahrens durch Reichsbeamte zu überwachen, die den Behörden der Einzel- 
staaten beigeordnet werden, singulärer Natur und nicht ohne weiteres analog 
auf andere der Verwaltung der Einzelstaaten überlassene oder durch die 
Reichsgesetzgebung geregelte Gebiete zu übertragen. Die Reichsverfassung 
wollte bezüglich der Militärverwaltung und der Zoll= und Steuerverwaltung, 
an der das Reich — abgesehen von anderen auf dem Gebiete der allgemeinen 
und Wirtschaftspolitik liegenden Interessen — finanziell unmittelbar beteiligt 
ist, über das allgemeine Prinzip des Art. 17 hinausgehen, und hat deshalb 
hier eine weitergehende Einschränkung der Verwaltung der Einzelstaaten be- 
stimmt, als ohne diese pofitiven Bestimmungen der Art. 36 und 63 auf 
Grund des Art. 17 anzunehmen wäre. 
Das Einschreiten des Reichskanzlers muß für ungewöhnliche Fälle auf- 
gespart werden und kann praktisch nur wirksam sein, wenn der innerhalb 
der Einzelstaaten gegebene Instanzenzug erschöpft ist. Hierüber hat sich der 
Staatssekretär des Reichsjustizamts Nieberding in der Reichstagssitzung v. 
12. Febr. 1902 St. B. 4125 geäußert und sich dabei wie bei anderen Ge- 
legenheiten gegen die im Reichstage teilweise bestehende Neigung gewendet, 
Angelegenheiten von untergeordneter Bedeutung zur Sprache zu bringen und 
mitbezug auf fie die Reichsverwaltung an die Geltendmachung des Über- 
wachungsrechts zu erinnern. Der Standpunkt der Reichsverwaltung beruht 
dabei auf Zweckmäßigkeitserwägungen, die allerdings zwingender Natur find. 
Zwar ist der Reichskanzler für die richtige und vollständige Ausübung des 
überwachungsrechts verantwortlich und kann deshalb darüber im Reichstag 
befragt werden, und theoretisch ist es gleichgültig, ob es sich um eine An- 
gelegenheit von fundamentaler oder von verschwindender Bedeutung handelt. 
Will aber der Reichskanzler das Überwachungsrecht praktisch ausüben und 
will der Reichstag die Verantwortlichkeit des Reichskanzlers für die Aus- 
übung dieses Rechts wirksam gestalten, so muß die Kontrolle der Einzel- 
staaten auf Fragen von grundsätzlicher Bedeutung eingeschränkt werden. Das 
gegenteilige Verfahren würde die Leistungsfähigkeit des Reichstags schädlich 
beeinflussen, da letzterer seine Kräfte nicht so zu vervielfältigen in der Lage 
ist, wie es für die Erledigung von untergeordneten Geschäften der Reichskanzler 
durch die Anwendung geeigneter Hülfsarbeiter tun kann; val. Art. 4 S. 103f. 
d) Die Verantwortung für die Ausfertigung und Verkündigung 
der Reichsgesetze. 
Das Recht der Ausfertigung und Verkündigung von Reichsgesetzen ist 
mehr formaler als materieller Natur; der Reichskanzler hat auch die sich 
darauf beziehenden kaiserlichen Erlasse unter voller Verantwortung gegen- 
zuzeichnen. Seine Verantwortung erstreckt sich nicht auf den Inhalt der 
Reichsgesetze, weil bei der Feststellung des Inhalts der Kaiser als solcher 
gemäß Art. 5 R.V. nicht beteiligt ist, sondern lediglich darauf, daß ein 
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