Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

V. Reichstag. Art. 21. 417 
Wenn der Abgeordnete noch zu einem späteren Zeitpunkt an der Abstimmung 
teilnehmen sollte, so würde seine Stimme ungültig sein. 
über die Frage, ob die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 gegeben 
find, entscheidet in Zweifelsfällen nur der Reichstag auf Grund des 
Art. 27 R. V. 
VII. Sonstige Gründe für den Verlust der Reichstagsmitgliedschaft. 
An Art. 21 Abs. 2 hat sich die Streitfrage geknüpft, ob es noch andere 
als die dort genannten Gründe für den Verlust der Reichstagsmitgliedschaft 
gibt. Kein Zweifel besteht darüber, daß abgesehen von dem Ablauf der 
Legislaturperiode (Art. 24) die Mitgliedschaft des Reichstags durch frei- 
willige Niederlegung des Mandats erlischt; es würde dem Charakter dieses 
Vertrauenspostens widersprechen, wenn der Abgeordnete gegen seinen Willen 
genötigt wäre ihn zu behalten. übrigens find im Wahlreglement § 34 
Abs. 2 Ersatzwahlen für Mitglieder, die während der Legislaturperiode aus- 
scheiden, vorgesehen, und damit ist, wie Laband 1 S. 315 A. 2 mit Recht 
bemerkt, die Zulässigkeit einer freiwilligen Niederlegung des Mandats implicite 
anerkannt. Aus der Tatsache, daß ein Abgeordneter ohne Entschuldigung und 
ohne Urlaub dem Reichstag andauernd fernbleibt, ergibt sich noch nicht 
die Niederlegung des Mandats; vgl. Laband a. a. O. Die Niederlegung des 
Mandats muß ferner bedingungslos sofort erfolgen, anderesfalls ist sie 
wirkungslos; es ist z. B. nicht zulässig, daß ein Abgeordneter, der sein 
Mandat niedergelegt hat, noch bis zur Neuwahl seinen Wahlkreis vertritt; 
vgl. Fall Trendelenburg in der Sitzung des preuß. Abgeordnetenhauses v. 
11. Jan. 1851 und die damalige Erklärung des Fürsten Bismarck als Ab- 
geordneter St.B. 90. 
Zur Strafe, etwa wegen Pflichtvernachlässigung, kann das Mandat 
nicht entzogen werden, weder durch ein strafgerichtliches Erkenntnis noch 
durch einen Beschluß des Reichstags. Die Geschäftsordnung des Reichstags 
enthält im § 62 zwar einschränkende Vorschriften über die Beurlaubung 
von Abgeordneten, aber sie bestimmt nichts über die Folgen einer durch 
Urlaub nicht gerechtfertigten Abwesenheit. Die Frage, ob ein Mitglied 
wegen andauernden unentschuldigten Ausbleibens ausgeschlossen werden 
könne, ist in der Reichstagssession von 1868 erörtert worden, jedoch der 
Reichstag hat einen entsprechenden Antrag, der als Zusatz zur Geschäfts- 
ordnung gestellt war, abgelehnt und dabei wurde anerkannt, daß das geltende 
Verfassungsrecht die Ausschließung eines Abgeordneten aus solchen Gründen 
nicht gestatten würde; vgl. v. Rönne I S. 251 A. 4; St.B. v. 15. Juni 1868 
S. 454 f. und Anlagen 1868 Bd. II S. 393 Nr. 106. 
Wegen Kriminalvergehen geht das Mandat nur verloren, wenn die 
bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt find; vgl. § 33 St.G.B. 
Dagegen ist es zweifelhaft, ob die Reichstagsmitgliedschaft verloren 
geht, wenn in der Person des Abgeordneten nachträglich einer der Fälle 
eintritt, deren Vorhandensein nach §§ 8, 4 des Wahlgesetzes die Wählbarkeit 
ausschließt, also wenn der Abgeordnete nach seiner Wahl entmündigt oder 
unter Pflegschaft gestellt wird, wenn über sein Vermögen das Konkurs- 
verfahren eröffnet wird oder wenn er eine Armenunterstützung aus öffentlichen 
Mitteln bezieht, die nicht unter das Ges. v. 15. März 1909 R. G. Bl. S. 319 
Dambitsch, Deutsche Reichsverfassung. 27
	        
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