Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

I. Bundesgebiet. Art. 1. 35 
und der Schweiz v. 24. Juni 1879; R. G. Bl. S. 307, ferner Ges. v. 
22. Jan. 1902 R. G. Bl. S. 31, 32; v. 20. Juni 1903 R. G. Bl. 1904 
S. 296, v. 31. Juli 1908 R. G. Bl. S. 493, 497. 
Wird die Vergrößerung oder Verminderung des Bundesgebiets und 
die Anderung der Reichsgrenzen dadurch bewirkt, daß ein nicht den Einzel- 
staaten zugehöriges Gebiet, also das Gebiet des Reichslandes Elsaß- 
Lothringen erweitert oder verringert wird und nur die Grenzen dieses 
Landes gegenüber dem Ausland geändert werden, oder wird durch Gebiets- 
erwerbungen vom Ausland ein neues Reichsland geschaffen, so ist nur ein 
die Reichsverfaffung änderndes Reichsgesetz erforderlich, da Rechte der 
Einzelstaaten in diesem Falle nicht berührt werden. Anders ist der Fall 
zu beurteilen, wenn die Vergrößerung oder Verminderung des Bundes- 
gebiets oder die Anderung seiner Grenzen darauf beruht, daß das Gebiet 
eines Einzelstaats erweitert oder vermindert wird und die gegen das Aus- 
land gerichteten Grenzen eines Einzelstaats geändert werden. Dann ist 
neben dem die Reichsverfassung ändernden Reichsgesetz die Zustimmung des 
Einzelstaats erforderlich, die in der durch die Verfassung dieses Staats be- 
stimmten Form erklärt sein muß, und zwar gilt dies ebensowohl von der 
Vergrößerung wie von der Verminderung des Gebiets eines Einzelstaats, 
da in jedem Falle Rechte des Einzelstaats betroffen werden; vgl. Laband 1 180. 
VI. Veränderung der Grenzen der Einzelstaaten ohne Anderung 
der Grenzen des Reichs. 
Art. 1 zählt zwar die einzelnen Bestandteile des Bundesgebiets auf, 
aber offenbar nur zu dem Zweck, den Gesamtumfang des Bundesgebiets, 
nicht auch die Grenzen der Einzelstaaten festzustellen. Daraus ergibt 
sich, daß Grenzregulierungen unter den deutschen Einzelstaaten, welche die 
Grenzen des Reichs unverändert lassen, als eine innere Angelegenheit dieser 
Einzelstaaten aufzufassen sind und einer Mitwirkung des Reichs nicht be- 
dürfen. Dies gilt jedoch nur von einfachen Grenzregulierungen. Handelt 
es sich um die Abtretung größerer Landgebiete, die eine wesentliche Ver- 
schiebung der Machtverhältnisse unter den Einzelstaaten zur Folge hat, so 
ist das Reich schon deshalb beteiligt, weil dann die Voraussetzungen, auf 
denen die Verteilung der Bundesratsstimmen, die Zahl der zu wählenden 
Reichstagsabgeordneten, die Einräumung von Reservatrechten und dergl. 
beruhen, nicht mehr zutreffen. Die Mitwirkung des Reichs ist daher in 
diesem Fall erforderlich. Eines Reichsgesetzes bedarf es aber nur, wenn 
Art. 1 oder Art. 6 oder eine sonstige Bestimmung der Reichsverfassung oder 
Reichsgesetzgebung mit der neuen Ordnung der Dinge nicht mehr ver- 
träglich ist und abgeändert werden muß. Trifft diese Voraussetzung nicht 
zu, so wird es lediglich Sache des Bundesrats sein, die Interessen des 
Reichs wahrzunehmen; vgl. Eingang II, 1. 
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