478 V. Reichstag. Art. 32.
Die Worte „als solche“ find von Meyer Grundzüge S. 100 und
Staatsrecht S. 457 und v. Rönne! S. 280 dahin ausgelegt worden, daß
die Reichstagsmitgliedschaft zwar kein Grund. für die Zulässigkeit eines dem
Abgeordneten nach seiner sonstigen bürgerlichen Stellung nicht gestatteten
Bezuges einer Entschädigung sein dürfe, daß sie aber solche an sich statthaften
Bezüge nicht unzulässig mache, wenn bei der Zuwendung nicht ausdrücklich
auf die Eigenschaft des Abgeordneten als solchen hingewiesen sei; letztere
Einschränkung wird nur von Meyer a. a. O. S. 457 gemacht. Von diesem
Standpunkt aus, der vom Reichsgericht a. a. O. S. 103 mit Recht abgelehnt
worden ist, wäre — abgesehen von der letztgenannten einschränkenden Klausel,
die nicht weit genug geht — das Verbot gegenstandslos, denn es würde
nichts anderes enthalten, als den Hinweis, daß an den sonst für die An-
nahme solcher Zuwendungen bestehenden Bestimmungen nichts geändert werden
sollte. Vielmehr enthält Art. 32 auch in seiner jetzigen Form das Verbot
jeder einem Reichstagsmitglied mitbezug auf seine Stellung oder in deren
Veranlassung gemachten Zuwendung, wenn die Zuwendung eine Gegenleistung,
sei es für die dem Abgeordneten durch seine Stellung verursachten Vermögens-
opfer, sei es für die durch seine Stellung bedingte oder aus Veranlassung
seiner Stellung geleistete, übrigens auf dem freien Willen des Abgeordneten
beruhende Tätigkeit darstellt.
Über die Folgen der Übertretung des Verbots bestimmt die Verfassung
nichts; es ist also auf das bürgerliche Recht zurückzugehen. Eine strafrecht-
liche Bestimmung fehlt. Hierauf bezieht sich eine Erklärung des Fürsten
Bismarck, der in der Sitzung des konst. Reichstags v. 16. April 1867
St. B. 727 auf die Frage des Abg. Simon, ob die Worte „dürfen keine
Besoldung beziehen"“, dahin zu verstehen seien, daß dadurch auch außer-
ordentliche, durch Assoziationen zusammengebrachte Honorierungen verboten
seien, erwiderte, daß die Regierungen ohne strafgesetzliche Unterlage nur denen
etwas verbieten könnten, denen sie überhaupt zu befehlen hätten. Hiermit
ist nicht gesagt, daß das Verbot nicht auch gegen die Geber der Besoldung
gerichtet ist; vgl. Reichsgericht a. a. O. Bd. 16 S. 99. Dies ist vielmehr
selbstverständlich, da das Reich keine Veranlassung hat, wenn es überhaupt
eine derartige Besoldung für rechtswidrig erklärt, die Geber der Besoldung
mit dem Verbot zu verschonen, und übrigens kann das Reich den Abgeordneten
— nach dem Wortlaut, den jetzt der Art. 32 hat — in dieser Beziehung
nicht mehr oder weniger vorschreiben als allen anderen physischen oder
juristischen Personen, die als Geber der Belohnung in Frage kommen können.
Fürst Bismarck hat nichts anderes sagen wollen, als daß die praktische
Durchführbarkeit des Verbots an dem Mangel einer strafgesetzlichen Unter-
lage scheitern kann. Dies ist die subjektive Rechtsansicht des Fürsten Bis-
marck, die in dem Kernpunkt zutrifft, aber das Verbot ist doch nicht ohne
Rechtswirkungen. Abgesehen von der Wirksamkeit der öffentlichen Meinung,
die nicht gering anzuschlagen ist, wenn Reichstagsmitglieder einer ausdrück-
lichen Verfassungsbestimmung zuwider für ihr Mandat, das ein Vertrauens-
posten im eminentesten Sinne des Wortes ist, eine vom Gesetz nicht
zugelassene Belohnung nehmen wollten, ist gemäß § 134 B. G.B. jeder
civilrechtliche Vertrag, jede Stiftung, jede Verfügung von Todeswegen, die
eine durch Art. 32 verbotene Zuwendung enthält, nichtig. Das Reichs-
gericht hat a. a. O. Bd. 16 S. 88 ff. die Frage, ob im Geltungsgebiete des