Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

484 VI. Zoll= und Handelswesen. Art. 33. 
S. 821 Nr. 145 und v. Seydel S. 226 f. Für die dem Reich entgehenden 
Zolleinnahmen zahlt Preußen ein Aversum. 
Abgesehen von Helgoland beruhen alle noch vorhandenen Zollausschlüsse 
auf geographischen Gründen, nur für die Freihafengebiete sind natürlich 
neben den geographischen auch wirtschaftliche Erwägungen maßgebend. In 
zolltarifarischer Hinsicht werden die Zollausschlüsse nach dem System der 
Meistbegünstigung behandelt gemäß 8 1 Abs. 2 des Zolltarifgesetzes v. 25. Dez. 
1902 R.G. Bl. S. 303, sofern nicht der Bundesrat Ausnahmen vorschreibt; 
diese Vorschriften sind außer Kraft zu setzen, wenn ihnen nicht der Reichs- 
tag nachträglich die Zustimmung erteilt. 
IV. Die Zollanschlüsse. 
Die Anomalie, daß einige relativ kleine Gebiete des Deutschen Reichs 
außerhalb der Zollgrenze liegen, hat ihr Gegenstück darin, daß wesent- 
lich in Verfolgung der gleichen Interessen, nämlich zur Abrundung der Zoll- 
grenze die letztere an einigen Stellen weiter reicht als die Reichsgrenze. Es 
sind aus geographischen Gründen die zu Tirol gehörige Gemeinde Jungholz 
und die zu Vorarlberg gehörige Gemeinde Mittelberg dem Reichszollgebiet 
angeschlossen und werden in Ansehung der Zölle und indirekten Steuern so 
behandelt, als gehörten sie zu Bayern, d. h. Jungholz ist durch einen zwischen 
Bayern und Österreich u. d. 3. Mai 1868 geschlossenen Vertrag dem Zoll- 
system Bayerns und nur mittelbar dadurch dem Reichszollgebiet angeschlossen. 
Dagegen ist Mittelberg durch einen zwischen dem Deutschen Reich und 
OÖsterreich-Ungarn u. d. 2. Dez. 1890 R.G. Bl. 1891 S. 59 geschlossenen 
Vertrag dem Zoll= und indirekten Steuersystem des Reichs unmittelbar und 
außerdem der bayerischen Bier= und Esfigbesteuerung angeschlossen worden. 
J. J.1868 besaß nämlich Bayern noch die ihm erst durch den Eintritt in 
das Reich verloren gegangene Kompetenz zum selbständigen Abschluß von 
Zollverträgen und die Anerkennung des Vertrages seitens des Reichs beruht 
auf Art. 2 des Zollv.-Vertr., wonach in dem Gesamtvereine diejenigen 
Gebietsteile einbegriffen bleiben, welche dem Zoll= und Handelssystem der 
vertragenden Teile oder eines von ihnen angeschlossen find, und zwar unter Be- 
rücksichtigung ihrer auf den Anschlußverträgen beruhenden besonderen Ver- 
hältnisse; vgl. Delbrück a. a. O. S. 9. Ferner ist an das Zollsystem Preußens 
und der übrigen Staaten des Zollvereins das Großherzogtum Luxemburg, 
jedoch ohne Beteiligung an der Gesetzgebung und Verwaltung durch die 
Verträge v. 8. Febr. 1842 Ges. S. S. 92, 2. April 1847 Ges. S. S. 283, 
26.|/31. Dez. 1853 Ges. S. 1854 S. 155 und 20./25. Okt. 1865 Ges. S. 1866 
S. 207 angeschlossen worden. Der Vertrag v. 20./25. Okt. 1865 darf vor 
d. 31. Dez. 1912 nicht gekündigt werden, wie im § 14 des zwischen dem 
Deutschen Reich und Luxemburg geschlossenen Vertrages v. 11. Juni 1872 
wegen Übernahme der Wilhelm-Luxemburg-Eisenbahnen durch die Kaiserlich 
deutsche Eisenbahnverwaltung R.G. Bl. S. 337 festgestellt worden ist. Die 
Zollinteressen Luxemburgs müssen im Bundesrat durch Preußen vertreten 
werden; vgl. v. Seydel S. 224 ff. 
Die Kolonien und Schutzgebiete des Deutschen Reichs gehören nicht 
zum Zollgebiet. Gemäß § 1 Abs. 2 des Zolltarifgesetzes v. 25. Dez. 1902 
R.G.Bl. S. 303 kann ihnen aber für ihre Erzengnisse die Meistbegnstigung 
durch Beschluß des Bundesrats eingeräumt werden.
	        
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