VI. Zoll- und Handelswesen. Art. 40. 517
notwendig ist, wenn die Bestimmungen des Zollv.-Vertr. — und des ganzen
dazu gehörigen, in diesem Vertrage inbezug genommenen Materials — ab-
geändert werden sollen. Alsdann entsteht die weitere Frage, welche Be-
stimmungen des Zollv.-Vertr. denen der Verfassung gleichstehen und welche
nicht. Die Verfassung enthält hierauf keine Antwort, weder im Art. 40
noch anderwärts. Durch den indifferenten Ausdruck „beziehungsweise“ ist
die Lösung umgangen. Man war sich darüber schon bei der Annahme der
Verfassung klar. Bei der Beratung über den badisch-hessischen Vertrag kam
die Frage in der Reichstagssitzung v. 7. Dez. 1870 St. B. 126 f. zur Sprache.
Auf eine den Zweifelspunkt anregende Frage des Abg. Lasker erwiderte der
Präsident des Bundeskanzleramts Delbrück, daß das in Betracht kommende
Material „zum Teil administrativer Natur, zum Teil legislativer Natur
und zum Teil verfassungsmäßiger Natur“ sei, daß aber die Klasfifizierung
der einzelnen Bestimmungen nach diesen drei Gruppen derart schwierig und
zeitraubend sei, daß die Arbeit nicht mehr im richtigen Verhältnis zu dem
davon zu erwartenden Nutzen stehe und daß man deshalb von einer näheren
Bestimmung Abstand genommen habe. Der Abg. Miquel erwiderte, daß
diese Erklärung wenig befriedigend sei und sprach die — nicht in Erfüllung
gegangene — Erwartung aus, daß demnächst dem Reichstag ein den Art. 40
vervollständigendes Reichsgesetz vorgelegt werden würde; im übrigen inter-
pretierte der Abg. Miquel die Erklärung des Präfidenten Delbrück dahin,
daß die Bestimmungen in zwei Gruppen zerfielen, von denen die eine im
Wege der einfachen Reichsgesetzgebung, die andere nur nach Maßgabe des
Art. 78 mit erhöhter Mehrheit im Bundesrat abgeändert werden könnte.
Damit war die Debatte über diese Frage geschlossen. Weiteres Material
für die Auslegung des Art. 40 enthalten weder die Reichstagsverhand-
lungen noch ergibt es sich aus der Regierungsvorlage, die schon für die
Verfassung des Norddeutschen Bundes inhaltlich mit der jetzt geltenden Vor-
schrift übereinstimmte. Jedoch geht aus der Erklärung des Präsidenten Del-
brück soviel zweifelsfrei hervor, daß die Unklarheit im Wortlaut des Art. 40
absichtlich hergestellt wurde, um nicht zu einer Frage Stellung zu nehmen,
die nicht spruchreif war und deren Lösung so große Schwierigkeiten bereitet
hätte, daß die Mühe nicht mehr im richtigen Verhältnis zu dem praktischen
Erfolg gestanden haben würde. Abgesehen hiervon hat der Präsident Del-
brück ausdrücklich bezeugt, daß nicht nur neben den verfassungsrechtlichen
Bestimmungen Vorschriften anderer Art in dem durch Art. 40 aufrecht er-
haltenen Rechtsstoff inbegriffen seien, sondern auch daß letztere Vorschriften
in legislative und administrative zerfielen, eine Anficht, die in dem Wort-
laut des Art. 40 insofern eine Stütze findet, als man in der Ausführung
des Art. 7 einen Hinweis sowohl auf die gesetzgebende wie auf die Ver-
ordnungsgewalt des Bundesrats erkennen kann (Ziff. 1 und 2). Der Abg.
Miaquel hat freilich nur die beiden Alternativen ins Auge gefaßt, bei denen
der Reichstag ausnahmslos beteiligt ist, den verfassungsrechtlichen und den
einfach-legislativen Charakter der inbezug genommenen Vorschriften. Aus
dem Umstande, daß der Präsident Delbrück auf diese nach seinen Aus-
führungen geäußerte Ansicht nichts entgegnet hat, ist kein Schluß zu ziehen.
Denn es hat nicht den Anschein, als ob der Abg. Miquel dem Präsidenten
Delbrück hat widersprechen wollen; man kann vielmehr annehmen, daß ihm
als Gegenstand des Streits und Zweifels überhaupt nur die Frage vor-