VIII. Post- und Telegraphenwesen. Art. 48. 547
(§ 5). Die für die Benutzung von Reichs-Telegraphen- und Fernsprech-
anlagen bestehenden Gebühren können nur auf Grund eines Gesetzes erhöht
werden. Ebenso ist eine Ausdehnung der gegenwärtig bestehenden Be-
freiungen von solchen Gebühren nur auf Grund eines Gesetzes gestattet (§ 7).
Eine Verletzung des Telegraphengeheimnisses ist nur in den gesetzlich be-
stimmten Fällen zulässig (s 8). Die Verletzung des Telegraphenmonopols
ist unter Strafe gestellt (§ 9).
Alle diese Bestimmungen sind ein Ausfluß des in der Reichsverfafsung
aufgestellten Grundsatzes, daß die Post und Telegraphie als Staats-Verkehrs-
anstalten eingerichtet und verwaltet werden sollen. Deshalb wird ihr Betrieb
nicht der freien Konkurrenz überlassen, andererseits hat jedermann einen
Anspruch auf Benutzung dieser Anstalten unter Bedingungen, die von den
Behörden des Reichs unter Verantwortlichkeit des Reichskanzlers bez. vom
Bundesrat oder gar im Wege der Reichsgesetzgebung festgesetzt werden. Die
Post- und Telegraphenverwaltung untersteht auch bezüglich der an sich civil-
rechtlichen Verhältnisse zum großen Teil nicht dem gemeinen Recht. Die
Postverwaltung gilt, obwohl ihr Betrieb neben der Nachrichtenbeförderung
die Beförderung von Personen und Gütern zum Gegenstande hat, nicht als
Kaufmann im Sinne des Handelsgesetzbuchs und die Vorschriften des
Handelsgesetzbuchs über das Frachtgeschäft finden weder auf die Beförderung
zu Lande noch zu Wasser Anwendung — 88 452, 463 H.G.B. — weil für
die von der Post abzuschließenden Beförderungsverträge durch gesetzliche und
reglementarische Bestimmungen ein Sonderrecht geschaffen ist. Die höchste
und wertvollste Bedeutung des Wortes „einheitliche Staats-Verkehrsanstalten“
aber kommt in der seit dem Bestehen des Reichs verfolgten Politik zum
Ausdruck, daß die Post und Telegraphie nicht unter fiskalischen Gesichts-
punkten verwaltet und nicht als ein gewerblicher Betrieb behandelt wird,
der nur für die Erzielung möglichst großer finanzieller Reinerträge bestimmt
ist, sondern als ein Hebel, um dem Verkehr alle noch mit dem finanziellen
Gleichgewicht des Reichshaushalts vereinbaren Erleichterungen zu geben. Nur
diese Politik entspricht dem Geiste der Reichsverfassung; man kann sogar an-
nehmen, daß sie eine Konsequenz des nach Art. 48 Abs. 1 geltenden Rechts ist.
III. Der Vorbehalt für reglementarische Bestimmungen.
Durch Abs. 2 wird das Gebiet der Gesetzgebung im Verhältnis zu
dem der Verordnung für die Post und Telegraphie abgegrenzt, und es ist
hier die Inkonsequenz festzustellen, daß auf die Bestimmung des Art. 4
Ziff. 10 in einer Form verwiesen ist, wie wenn es sich auch dort um eine
Abgrenzung zwischen Gesetz und Verordnung handelte, während dem Art. 4
die Tendenz zugrunde liegt, die Kompetenz des Reichs von der der Einzel-
staaten abzugrenzen. Nach dem bei Art. 7 Alll S. 216 ff. vertretenen Stand-
punkt ist gemäß Art. 7 Ziff. 2 der Bundesrat ermächtigt, die für die
Ausführung der Reichsgesetze erforderlichen Verordnungen zu erlassen, ohne
Rücksicht darauf, ob fie nur den inneren Geschäftsgang der Behörden be-
treffen oder auch für das Publikum Rechte und Pflichten bestimmen. Aber
auch bei dieser Auffassung ist die Bestimmung des Art. 48 Abs. 2 nicht
Überflüssig. Im Verhältnis zum Art. 7 Ziff. 2 erweitert sie nämlich das
Gebiet der reglementarischen Festsetzung und administrativen Anordnung,
also der Verordnungsgewalt insofern, als die durch Art. 7 Ziff. 2 vor-
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