562 IX. Marine und Schiffahrt. Art. 54.
Artikel 54.
Die Kauffahrteischiffe aller Bundesstaaten bilden eine einheitliche
Handelsmarine.
Das Reich hat das Verfahren zur Ermittelung der Ladungsfähigkeit
der Seeschiffe zu bestimmen, die Ausstellung der Meßbriefe, sowie der
Schiffszertifikate zu regeln und die Bedingungen festzustellen, von welchen
die Erlaubnis zur Führung eines Seeschiffes abhängig ist.
In den Seehäfen und auf allen natürlichen und künstlichen Wasser-
straßen der einzelnen Bundesstaaten werden die Kauffahrteischiffe sämtlicher
Bundesstaaten gleichmäßig zugelassen und behandelt. Die Abgaben, welche
in den Seehäfen von den Seeschiffen oder deren Ladungen für die Be-
nutzung der Schiffahrtsanstalten erhoben werden, dürfen die zur Unter-
haltung und gewöhnlichen Herstellung dieser Anstalten erforderlichen Kosten
nicht übersteigen.
Auf allen natürlichen Wasserstraßen dürfen Abgaben nur für die Be-
nutzung besonderer Anstalten, die zur Erleichterung des Verkehrs bestimmt
sind, erhoben werden. Diese Abgaben, sowie die Abgaben für die Be-
fahrung solcher künstlichen Wasserstraßen, welche Staatseigentum sind,
dürfen die zur Unterhaltung und gewöhnlichen Herstellung der Anstalten
und Anlagen erforderlichen Kosten nicht übersteigen. Auf die Flößerei
finden diese Bestimmungen insoweit Anwendung, als dieselbe auf schiff-
baren Wasserstraßen betrieben wird.
Auf fremde Schiffe oder deren Ladungen andere oder höhere Abgaben
zu legen, als von den Schiffen der Bundesstaaten oder deren Ladungen
zu entrichten sind, steht keinem Einzelstaate, sondern nur dem Reiche zu.
I. Die Einheitlichkeit der Handelsmarine.
II. Schiffspolizei.
III. Schiffahrtsabgaben.
I. Die Einheitlichkeit der Handelsmarine.
Die Bestimmung des Abs. 1, daß die Kauffahrteischiffe aller Bundes-
staaten eine einheitliche Handelsmarine bilden, ist eine Spezialifierung der
im Art. 3 und 33 Abs. 1 ausgesprochenen Grundsätze für die Schiffahrt.
Wie Art. 3 für das ganze Reich die Rechtsgleichheit in der Behandlung
der Personen und Art. 33 die Freiheit des Güterverkehrs zusichert, schließt
Art. 54 eine differentielle Behandlung der Deutschen Handelsschiffe sowohl
auf den Fahrstraßen der See wie auf den Binnenwasserstraßen aus. Hierin
allein liegt die Einheitlichkeit der Handelsmarine. In wirtschaftlicher, tech-
nischer und finanzpolitischer Beziehung verbindet sie kein gemeinsames Band;
nur die Rechtslage soll in den im Art. 54 näher bezeichneten Beziehungen
gleich sein. Ebenso wie Art. 3 und 33 enthält danach Art. 54 weniger
konkrete Rechtssätze als ein Programm für die gesetzgeberische und für die
Verwaltungstätigkeit der Einzelstaaten.