50 II. Reichsgesetzgebung. Art. 2.
sondern das Gesetz festzustellen hätten. Dieser Einwand ist kaum begründet.
Das Wort „Zustimmung“ ist sprachlich die richtige Bezeichnung für das
Rechtsverhältnis, das entsteht, wenn eine Willenseinigung zwischen mehreren
Personen oder Organen zustande gekommen ist, nachdem der von einer Seite
gemachte Vorschlag von der anderen Seite angenommen ist. Dabei ist es
sehr wohl möglich, daß der erste Vorschlag von der Gegenpartei nicht in
allen Teilen gebilligt und der in den Modifikationen liegende Gegenvorschlag
der zweiten Partei schließlich wieder von der ersten Partei angenommen
wird. Die Worte „nach erfolgter Zustimmung des Bundesrats und Reichs-
tags“ lassen den einer Feststellung nicht bedürfenden Umstand unbestimmt,
ob die Initiative zu dem Reichsgesetz vom Bundesrat oder vom Reichstag
ausgegangen ist und bringen nur in abgekürzter Form zum Ausdruck, was
nach Art. 5 zur Feststellung des Inhalts eines Reichsgesetzes allein erforder-
lich ist, nämlich daß Bundesrat und Reichstag übereinstimmende, d. h.
gegenseitig „zustimmende“ Beschlüsse gefaßt haben.
Dagegen fehlt es an irgendeiner Vorschrift, die bestimmt, daß das
Vorhandensein der Ubereinstimmung zwischen Bundesrat und Reichstag im
Eingang jedes Reichsgesetzes festgestellt sein muß. Weder die Reichsverfassung
noch irgendein Spezialgesetz schreiben dies vor, und deshalb steht nichts ent-
gegen, daß ein Reichsgesetz auch ohne diese Formel verkündigt wird, wenn
nur sonst klar ist, daß die Verkündigung vom Kaiser ausgeht und „von
Reichs wegen“ stattfindet; mehr verlangt die Reichsverfassung nicht; ebenso
Arndt S. 184 A. 2; anders das Kammergericht, Urt. v. 27. Dez. 1900,
abgedruckt in der D.Jur.Zeit. 1901 S. 238 Nr. 20. Ausgehend von dem
richtigen Satze, daß die Verkündigung einer Vorschrift, sei sie Gesetz oder
Verordnung, derjenige Akt sei, der die Wirksamkeit der Verordnung nach
außen gegenüber den durch sie zu verpflichtenden Untertanen herbeiführt,
zieht das Kammergericht daraus den Schluß, daß die Publikation außer
von den Rechtssätzen selbst auch von den Umständen Kenntnis geben müsse,
welche die Rechtsgültigkeit der Vorschrift bedingen; von der Erfüllung dieser
Form sei die Rechtsgültigkeit der Vorschrift abhängig; deshalb sei die
Erklärung in den Reichsgesetzen, daß sie nach erfolgter Zustimmung des
Bundesrats und Reichstags, in den Landesgesetzen, daß sie mit Zustimmung
der beiden Häuser des Landtags der Monarchie erlassen werden, erforderlich;
der Monarch bezeuge in der Publikationsformel in einer für die Behörden
und Untertanen maßgebenden Weise, daß die verfassungsmäßige Mitwirkung
der Stände stattgefunden habe. — Hiergegen ist einzuwenden: es ist zwar
richtig, daß ohne Verkündigung kein Reichsgesetz in Kraft treten kann, und
ebenso zutreffend ist es, daß — nach richtiger Auslegung der Art. 2, 17
R.V. — der Kaiser durch die Verkündigung das verfassungsmäßige Zustande-
kommen des Reichsgesetzes bezeugt, aber der Schluß, daß deshalb die ein-
zelnen Phasen des Weges der Reichsgesetzgebung, insbesondere die Tatsache
der „Zustimmung des Bundesrats und Reichstags“ in der Verkündigungs-
formel ausdrücklich hervorgehoben sein muß, ist weder logisch gerechtfertigt,
noch durch irgendeine gesetzliche Vorschrift pofitiv bestimmt. Auch entspricht
diese Ansicht nicht der Praxis des Reichs. Die verfassungändernden Reichs-
gesetze enthalten meistens keine Mitteilung darüber, daß die nach Art. 78
Abs. 1 R.V. erforderliche Mehrheit des Bundesrats tatsächlich vorhanden
gewesen ist. Die Verordnungen, die auf einer ausdrücklichen gesetzlichen