Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

578 XI. Reichskriegswesen. Art. 59. 
über die Einteilung der bewaffneten Macht, die im Text des Art. 59 
ohne Kundgebung des für die Unterscheidung der einzelnen Kategorien maß- 
gebenden Prinzips zum Ausdruck kommt, enthält das Gesetz betr. die Ver- 
pflichtung zum Kriegsdienst folgende Grundsätze: Die bewaffnete Macht 
besteht aus dem Heere, der Marine und dem Landsturm. Das Heer wird 
eingeteilt in das stehende Heer und die Landwehr, die Marine in die Flotte 
und die Seewehr; dazu kommt die Ersatzreserve und der Landsturm. Für 
die Erfüllung der Wehrpflicht kommen danach vier Kategorien in Betracht: 
1. stehendes Heer (Flotte), 2. Landwehr (Seewehr), 3. Ersatzreserve, 4. Land- 
sturm. Die vier Kategorien unterscheiden sich durch ihre verschiedene Be- 
stimmung für den Kriegsfall. Nach dieser Richtung gilt folgendes: 
1. „Das stehende Heer und die Flotte find beständig zum Kriegsdienft 
bereit. Beide sind die Bildungsschulen der ganzen Nation für den 
Krieg.“ (§ 4 des Ges. v. 9. Nov. 1867.) 
2. „Die Landwehr und die Seewehr find zur Unterstützung des stehenden 
Heeres und der Flotte bestimmt.“ (8 5 desselben Gesetzes.) 
3. „Die Ersatzreserve dient zur Ergänzung des Heeres bei Mobil- 
machungen und zur Bildung von Ersatz-Truppenteilen.“ (Art. U ## # 
des Ges. betr. Anderung der Wehrpflicht v. 11. Febr. 1888 R. G. Bl. 
S. 11.) 
4. „Der Landsturm hat die Pflicht im Kriegsfalle an der Verteidigung 
des Vaterlandes teilzunehmen; er kann in Fällen außerordentlichen Be- 
darfs zur Ergänzung des Heeres und der Marine herangezogen werden.“ 
(§ 23 des Ges. betr. Anderungen der Wehrpflicht v. 11. Febr. 1888.) 
Während also nach der Verwendung im Kriege sich die ganze Ein- 
teilung richtet, ist vorweg zu bemerken, daß die Bestimmung der Verfaffung 
wie die ergänzenden Vorschriften der späteren Reichsgesetzgebung über die 
Dauer der Dienstverpflichtung bei dem stehenden Heere bez. bei der Klotte, 
und bei der Land= bez. Seewehr nur für den Frieden gelten. „Im Kriege 
entscheidet darüber allein das Bedürfnis und werden alsdann alle Abteilungen 
des Heeres und der Marine, soweit sie einberufen find von den Heran- 
gewachsenen und Zurückgebliebenen nach Maßgabe des Abganges ergänzt.“ 
(§ 14. des Ges. v. 9. Nov. 1867.) 
Die Worte „in der Regel“ im Texte des Art. 59 stammen noch aus 
der ursprünglichen Fassung des Art. 59 und kehren in dem Ges. v. 8. Nov. 
1867 betr. die Verpflichtung zum Kriegsdienst wieder; sie bezogen sich nach 
einer bei der Beratung dieses Gesetzes von den Bundeskommissarien ab- 
gegebenen Erklärung darauf, daß in einigen Provinzen: Westfalen, Schleswig- 
Holstein und Hannover die Dienstpflicht hergebrachterweise erst mit dem 
21. Lebensjahre begann; vgl. den Kommissionsbericht des Reichstags zu dem 
Entwurf dieses Gesetzes St. B. 1867 S. 158. Im übrigen haben die 
Worte noch jetzt unabhängig von dem vorstehend angeführten Grunde ihren 
guten Sinn und fsind auch bei der Neuredaktion des Art. 59 im Jahre 
1905 beibehalten worden, weil die Einstellung der Rekruten nicht mit dem 
Tage des vollendeten 20. Lebensjahres, sondern zu bestimmten Kalender- 
zeiten erfolgt und andererseits gemäß § 6 des Ges. v. 8. Nov. 1867 die 
Verpflichtung zum Dienst im stehenden Heere mit dem 1. Januar des 
Jahres beginnt, in welchem der Wehrpflichtige das 20. Lebensjahr vollendet. 
Ferner enthält § 6 des Ges. v. 8. Nov. 1867 insofern eine gewisse Modi-
	        
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