Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

592 XI. Reichskriegswesen. Art. 61. 
Anhalt für die Richtigkeit der einen oder anderen Ansicht. Tatsächlich find 
preußische Bestimmungen des Militärrechts sowohl vom Kaiser wie von 
den Regierungen der Einzelstaaten eingeführt worden, und bei der Un- 
bestimmtheit, welche die Fassung des Art. 61 nach dieser Richtung aufweist, 
werden sich gegen diese Praxis zwingende Gründe nicht anführen lassen; 
ebenso der Bundeskommissar v. Puttkamer im Reichstag 1869 St. B. 1131. 
Nach dem Wortlaut des Art. 61 müßte man eigentlich annehmen, daß, 
abgesehen von der Militär-Kirchenordnung, das ganze preußische Militärrecht 
ohne Ausnahme für die Einführung bestimmt sei. Aber auch nach dieser 
Richtung scheint Art. 61 für den ihm zugrunde liegenden Gedanken keine 
genügende Fassung erhalten zu haben. Denn durch den Kriegsminister v. Noon 
ist in der Sitzung des konst. Reichstags v. 6. April 1867 St. B. 581 aus- 
drücklich bezeugt, daß die Einführung nur soweit erfolgen sollte, als für 
zweckmäßig erachtet wurde, die betreffenden Vorschriften dauernd beizubehalten. 
Die Entscheidung darüber, ob diese Voraussetzung gegeben ist, ob also eine 
Vorschrift eingeführt werden soll oder nicht, trifft lediglich der Kaiser auf 
Grund des ihm nach Art. 63 R.V. zustehenden Oberbefehls. 
V. Das „umfassende“ Reichs-Militärgesetz. 
Die im Art. 60 Abs. 2 in Aussicht genommene einheitliche Kodifikation 
des Militärrechts hat nicht stattgefunden. Vielmehr find eine größere An- 
zahl von Reichsgesetzen, die je nur einzelne Materien betreffen, erlassen 
worden. Die wichtigsten Gesetze dieser Art find: das Gesetz betr. die Ver- 
pflichtung zum Kriegsdienst v. 9. Nov. 1867 B. G. Bl. S. 131; val. Art. 59 
R. V., und das Reichs-Militärgesetz v. 2. Mai 1874 R.G.Bl. S. 45, das außer 
der Feststellung der Friedenspräsenz für ein Septennat grundlegende Be- 
stimmungen über die Organisation des Reichsheers, d. h. seine Gliederung 
und die Truppenführung enthält, ferner Bestimmungen über den Militär- 
ersatz, die teilweise durch das Ges. v. 26. Mai 1893 R.G.Bl. S. 185 ab- 
geändert find, außerdem Vorschriften über einige Fälle, in denen für Militär- 
personen auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts besondere Rechte und 
Pflichten bestimmt werden, ergänzt durch Art. 44, 45 des E. G. z. B.G B., 
endlich Vorschriften über die Organisation der Ersatzreserven und Land- 
wehr, ergänzt und abgeändert durch das Ges. v. 11 Febr. 1888 R.G. Bl. 
S. 11 und durch das Ges. v. 15. April 1905 R. G. Bl. S. 249. 
Eine Kodifikation der auf die Wehrpflicht bezüglichen Bestimmungen 
einschließlich der im Verordnungswege erlassenen Ausführungsvorschriften 
enthält die mittels A.E. v. 22. Nov. 1888 genehmigte „Deutsche Wehr- 
ordnung“, deren Text nach mehrfachen Anderungen vom Reichskanzler u. d. 
22. Juni 1901 in der Beil. zu Nr. 32 R.C. Bl. veröffentlicht ist; sie wird er- 
gänzt durch die i. J. 1888 im Verordnungswege erlassene „Heerordnung“. 
Für die Pensionierung der Offiziere, Militärbeamten und Mannschaften 
ist jetzt maßgebend: das Gesetz über die Penfionierung der Offiziere ein- 
schließlich Sanitätsoffiziere des Reichsheers, der Kaiserl. Marine und der 
Kaiserl. Schutztruppen v. 31. Mai 1906 R.G. Bl. S. 565, sowie das Gesetz 
über die Versorgung der Personen der Unterklassen des Reichsheeres, der 
Kaiserl. Marine und der Kaiserl. Schutztruppen von demselben Tage R.G. Bl. 
S. 595 und das Militärhinterbliebenengesetz v. 17. Mai 1907 R. G. Bl. 
S. 214. Wegen der Gesetze über die Naturalleistungen für die bewaffnete
	        
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