II. Reichsgesetzgebung. Art. 2. 53
liegt. Namentlich aus den Beratungen des Reichstags ergeben sich der-
artige Irrtümer — vgl. Laband DJur.Zeit. 1908 S. 302. Durch die
geschäftsordnungsmäßige Behandlung der Gesetzesvorlagen wird im Reichs-
tag in der Regel die Herstellung mehrerer Drucksachen erforderlich. Auf
die Regierungsvorlage folgt der Kommissionsbericht, dann eventuell eine
Zusammenstellung der von der Kommission vorgeschlagenen Anderungen und
eine Zusammenstellung der in zweiter und dritter Lesung beschlossenen
Anderungen. In jede dieser Drucksachen kann sich ein Fehler einschleichen
und zur Folge haben, daß der Schlußabstimmung des Reichstags ein
fehlerhafter Text zugrunde liegt. Wenn der Irrtum nicht rechtzeitig ent-
deckt wird, ein Fall, der, namentlich wenn der Fehler unbedeutend und
nicht finnstörend ist, häufig eintritt, so geht der Fehler in den endgültigen
Beschluß des Bundesrats, in die Ausfertigung der Gesetzesurkunde und in
den verkündigten Text über. Früher wurden Fehler dieser Art vom Reichs-
kanzler ohne weiteres auch nach der Verkündigung durch Einrückung eines
berichtigenden Vermerks in das Reichsgesetzblatt beseitigt. Ein Beispiel
bietet die Berichtigung des Reichsgesetzes v. 5. Juli 1896 betreffend die
Pflichten der Kaufleute bei der Aufbewahrung fremder Wertpapiere in Nr. 20
des R.G. Bl. von 1896. In einem anderen Falle, nämlich für die Berich-
tigung des § 52 der Seemannsordnung v. 2. Juni 1902, ist ein besonderes
Reichsgesetz v. 23. März 1903 R. G. Bl. S. 57 erlassen worden. Über die
neuere Praxis hat sich der Staatssekretär des Reichsschatzamtes Freih. v.
Stengel in der Reichstagsfitzung v. 14. Mai 1907 St. B. 1673 D dahin
geäußert:
„Sobald von seiten eines der obersten Reichsämter die Wahrnehmung
gemacht ist, daß in einer Vorlage sich ein Versehen eingeschlichen hat,
so tritt man sofort in Verbindung mit dem Bureau des Reichstags, um
zu verhindern, daß der Fehler sich weiter schleppt und in die Gesetz-
Sammlung übergeht. Das Bureau des Reichstags pflegt in solchen
Fällen sich sodann mit dem Herrn Präsidenten ins Benehmen zu setzen,
und wenn offenbar ist, daß es sich in der Tat nur um ein Versehen
handelt, dann verfügt in solchen Fällen der Präsident des Reichstags
kurzer Hand die Berichtigung, und es findet alsdann auch die Bekannt-
gabe des betreffenden Gesetzes in der berichtigten Form statt.“
Natürlich ist bei diesem Verfahren vorausgesetzt, daß der Fehler entdeckt
wird, noch ehe die Schlußabstimmung über die Vorlage im Reichstage
stattfindet. Ist dies nicht der Fall, so ordnet auch nach der derzeitigen
Praxis der Reichskanzgler die Berichtigung aus eigener Machtvollkommenheit
an, teilt aber dem Reichstag mit, daß die Berichtigung stattgefunden hat
oder noch stattfinden wird — vgl. Anlagen der 11. Leg.-Per. Sess. 2 Bd. 7
S. 5426 f. Nr. 503 und Staatssekretär des Reichsschatzamts Freih. v. Stengel
in der Reichstagssitzung v. 14. Mai 1907 St. B. 1673 B sowie der
Staatssekretär des Reichsjustizamts Nieberding in der Reichstagssitzung v.
29. März 1898 St.B. 18638 ff.
Dieser Standpunkt ist von Laband ll S. 52 ff. und D. Jur.Zeit. 1903
S. 301 ff. bestritten und es ist dort ausgeführt worden, daß die richtige
Erklärung der Regel nach nur von demjenigen ausgehen könne, der die un-
richtige abgegeben habe, daß man also, wenn das fehlerhafte Resultat be-
richtigt werden solle, die Fehlerquelle aufsuchen und die Berichtigung dort