Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

XI. Reichskriegswesen. Art. 63. 603 
Armee einnehmen muß. Das preußische wie das sächsische und württem- 
bergische Kriegsministerium haben allerdings nebenbei die Stellung einer 
„Obersten Reichsbehörde“, weil ihnen diese Stellung in der Allerh. Ver- 
ordnung v. 23. Nov. 1874 R. G. Bl. S. 135 betr. Ausführung des Reichs- 
Beamtengesetzes besonders verliehen ist; doch find fie Reichsbehörden nur 
im Sinne dieses Gesetzes sogen. mittelbare Reichsbehörden. 
Die Kriegsministerien besorgen zwar, weil die Kontingentsverwaltung ein 
dem Reich nicht übertragenes Staatshoheitsrecht der Kontingentsstaaten ist, 
Landesgeschäfte und würden für die Gesetzmäßigkeit ihres Verfahrens — 
ungeachtet es fast nur Reichsgesetze find, die ihren Geschäftskreis bestimmen 
— an sich nur den Einzelstaaten verantwortlich sein; vgl. die Denkschrift 
des Reichskanzlers im Arch. f. öff. K. Bd. 4 S. 150 f. — aber da es sich um 
Reichsgesetze handelt und um Angelegenheiten, die mit den Geschäften des 
Reichs im engsten Zusammenhange stehen, die auch zum größten Teil mit 
dem Reichsetat in Verbindung sind, ist es Praxis geworden, daß die Kriegs- 
minister, namentlich der preußische, auf Grund ihrer politischen Verantwort- 
lichkeit fast nur noch im Reichstag Auskunft erteilen. Dem Reichskanzler 
find die Kriegsminister jedoch nicht unterstellt, und der Reichskanzler trägt 
für ihre Geschäfte, da die letzeren nicht in das Gebiet der Reichsverwaltung 
fallen, nicht die Verantwortung. Eine Ausnahme, d. h. eine Mitverantwor- 
tung des Reichskanzlers könnte höchstens für Etatsüberschreitungen anerkannt 
werden; daher besteht auch für die sogen. justifizierenden Kabinettsordres, die 
einfache Verwaltungsmaßregeln sind und deren finanzielle Tragweite nicht 
groß ist, eine Mitverantwortung des Reichskanzlers nur so weit, als der 
Etat durch sie berührt wird; val. Art. 17 IVd S. 351 ff. 
Auch die Militärbeamten, d. h. die des Landheers, nicht die der Marine, 
find durchweg Landesbeamte, daneben allerdings sogen. mittelbare Reichs- 
beamte; sie unterliegen nämlich, obwohl fie von den Kontingentsherren an- 
gestellt werden, dem Reichsbeamtengesetz, weil sie nach Art. 68 Abs. 1 R.V. 
den Anordnungen des Kaisers Folge zu leisten verpflichtet find (§ 1 des Reichs- 
beamtenges. R.G.Bl. 1907 S. 245). 
Die Militär-Gerichtsbarkeit ist — ausgenommen die das Etatsrecht 
berührenden Angelegenheiten der Militär-Justizverwaltung — eine Reichs- 
angelegenheit, denn sie wird als ein Ausfluß der Kommandogewalt an- 
gesehen, deren oberster Inhaber auf Grund des Art. 63 Abs. 1 der Kaiser 
ist; diese Auffassung schließt sich dem in Preußen von jeher maßgebend ge- 
wesenen Standpunkt an; vgl. die Begründung zum Entwurf einer Militär- 
Strafgerichtsordnung S. 47. Von diesem Standpunkt aus wäre es folge- 
richtig, daß der höchste Gerichtsherr nicht der Kontingentsherr, sondern der 
Kaiser sei, weil in seiner Hand die höchste Kommandogewalt liegt — anderer 
Ansicht: Guderian im Arch. f. öff. RK. Bd. 19 S. 506ff. Gemäß der Militär- 
Strafgerichtsordnung v. 1. Dez. 1898 R.G. Bl. S. 1189 und des E.G. hier- 
zu R.G. Bl. 1289 ist aber die Militär-Justizverwaltung nur für die Marine 
dem Kaiser, für das Heer dagegen den Kriegsministerien (§ 111) und da- 
mit den Kontingentsherren übertragen. Auch im übrigen stehen die nach 
Maßgabe der Militär-Strafgerichtsordnung auszuübenden höchsten Befug- 
nisse, soweit sie nicht den Gerichtsherren obliegen, für das Heer den Kon- 
tingentsherren zu, z. B. die Berufung der Kriegsgerichte in besonderen Fällen 
(§ 18), die Bestimmung über Erteilung der Bestätigungsordre (§ 418) —
	        
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