XII. Reichsfinanzen. Art. 70. 651
Höhe, in der sie durch das Budget festgestellt find, ausgeschrieben werden
dürfen, nicht in der Höhe, in der sie zur Deckung der Ausgaben tatsächlich
erforderlich sind; die Ausschreibung kann bald nach Feststellung des Etats
erfolgen; vgl. die Erklärung des Finanzministers Frhr. v. d. Heydt in der
Sitzung des konst. Reichstags v. 8. April 1867 St.B. 635.
Stellt sich der Voranschlag als zu hoch heraus, so wurden bis zum
J. 1904 die überschüsse, ohne Rücksicht darauf, ob sie aus den eigenen
Einnahmen des Reichs oder aus den Matrikularbeiträgen stammten, in den
Etat des nächsten oder übernächsten Jahres als Einnahmen eingestellt und
dienten deshalb zu einer entsprechenden Verminderung der Matrikularbeiträge
in den folgenden Jahren. Seit dem Gesetz v. 1904 haben bezüglich der
ungedeckten Matrikularbeiträge die Einzelstaaten einen Anspruch darauf,
daß ihnen die überschüsse in Höhe der ungedeckten Beiträge herausgezahlt
werden.
Soweit der Voranschlag der Matrikularbeiträge zu niedrig war, bleiben
die Einzelstaaten zur Nachzahlung verpflichtet, weil sich ihre Deckungspflicht
auf das ganze — effektiv vorhandene — Defizit erstreckt. Jedoch dürfen
gemäß Art. 70 die Nachschüsse nur auf Grund eines im Wege des Budgets
festgestellten Gesetzes ausgeschrieben werden, wie i. J. 1868 anläßlich eines
praktischen Falls anerkannnt wurde; vgl. Hirth's Annalen 1869 S. 274 ff.
Deshalb bleibt nur übrig, den Etat nachträglich zu ändern oder den Fehl-
betrag als Ausgabe in den Etat des nächsten oder übernächsten Jahres
einzustellen; vgl. Laband IV S. 474 ., 494.
IV. Die überweisungen.
Die Überweisungen bestehen jetzt nur noch in der Branntweinsteuer.
Bei den Verhandlungen über die Franckensteinsche Klausel wurde von deren
Urheber die Summe von 40 Millionen als derjenige Betrag bezeichnet,
der zur überweisung genüge, um dem Reichstag ein hinreichendes „Einnahme-
bewilligungsrecht" zu gewähren. Die Branntweinsteuer wird durch ihre
Erhöhung etwa das Fünffache dieses Betrages ergeben. Für die Wahl der
Branntweinsteuer als Überweisungssteuer war die Erwägung maßgebend,
daß gerade diese Steuer ziemlich gleichmäßige Erträge lieferte, sodaß ver-
mieden werden konnte, was zu vermeiden der wesentliche Zweck der Reform
war: die Budgets der Einzelstaaten mit solchen Schwankungen zu belasten,
wie sie die Erträge der Zölle und der meisten anderen Steuern boten, je
nachdem das Wirtschaftsjahr gut oder schlecht war. Unter diesem Gesichts-
punkt wollten die Verbündeten Regierungen schon i. J. 1904 die Uber-
weisungen auf die Branntweinverbrauchsabgabe, die damals sich auf etwa
100 Millionen jährlich belief, einschränken; vgl. die Begründung des Gesetz-
entwurfs Anl. der 11. Leg.-Per. Seff. 1 Bd. 1 S. 42. Der Reichstag war
mit dem Prinzip der Reform einverstanden, jedoch ging fie ihm in der
Einschränkung der Überweisungen zu weit, und es kam ein Kompromiß
zustande, demzufolge als überweisungssteuern neben der Verbrauchsabgabe
die Maischbottichsteuer und die Stempelabgaben von Aktien, Kuxen, Renten-
und Schuldverschreibungen, von Kauf und sonstigen Anschaffungsgeschäfte
sowie von Lotterielosen angenommen wurden; vgl. die Ausführungen des
Kommissionsberichterstatters Abg. Speck in der Reichstagssitzung v. 7. Mai