I. Reichsvermögen. $ 214. 619
Erstes Kapitel.
Vermögen.
I. Reichsvermögen‘.
1. Verwaltungsvermögen‘°.
8 214.
Das Verwaltuugsvermögen des Reiches ist der Inbegriff
der Reichsgüter, die nicht dazu dienen, dem Reiche Einnahmen zu
gewähren, sondern lediglich für die unmittelbaren Zwecke der Reichs-
verwaltung bestimmt sind. Ihre Verwaltung erfolgt nicht durch das
Reichsschatzamt, sondern durch die betreffenden Ressortbehörden.
Diese sind auch zu Veräußerungen derartiger Gegenstände befugt.
Die Einnahmen aus solchen Veräußerungen müssen aber für jedes Jahr
veranschlagt und auf den Reichshaushaltsetat gebracht werden, und
zur Verwendung der Einnahmen ist die etatsmäßige Ermächtigung durch
Bundesrat und Reichstag erforderlich. Uber die Veränderungen im
Grundbesitz des Reiches muß dem Reichstage alljährlich Kenntnis
gegeben werden®,
Das Verwaltungsvermögen des Reiches zerfällt in zwei große
Massen. Der eine Teil wird durch die vom Reiche selbst er-
worbenen Vermögensgegenstände, z. B. die neuerrichteten
Gebäude und neu angeschafften Materialien repräsentiert. An diesen
erwarb das Reich mit ihrer Beschaffung unbestrittenerweise Eigen-
tum. Der andere Teil war früher Eigentum der Einzel-
staaten und ist mit dem Übergang der betreffenden Verwaltungs-
zweige in die Verwaltung des Reiches tatsächlich in den Besitz des
letzteren gekommen. Da über das an diesen Gegenständen be-
stehende Rechtsverhältnis die Meinungen auseinandergingen, erschien
es wünschenswert, eine ausdrückliche gesetzliche Regelung ein-
ı Laband 4, 346; Art. Reichsvermögen V.R.W. 2, 370. — Schwarz,
Formelle Finanzverwaltung S. 42.
2 Auf die volkswirtschaftiiche Bedeutung der Unterscheidung von Ver-
waltungevermögen und Finanzvermögen hat namentlich L. v. Stein
aufmerksam gemacht (Finanzwissenschaft 2, I 142), der aber für Verwaltungs-
vermögen den Ausdruck Staatsbesitz, für Finanzvermögen den Ausdruck Staats-
domänen oder Staatsgüter gebraucht. Die juristische Bedeutung hat namentlich
Laband 4, 346; Annalen 1873 S. 412 entwickelt. — Nach G. Meyer, Verw.
R? 2, 18]! besteht kein Bedürfnis, neben diesen zwei Arten des Staats-
vermögens noch eine dritte Klasse, die öffentlichen Sachen, anzu-
nehmen, da diese sich durchaus dem Begriff des Verwaltungsvermögens
unterordnen. Vgl. dagegen Otto Mayer 2, 71: Für die Lehre
vom öffentlichen Eigentum ist von grundlegender Bedeutung
der Begriff der öffentlichen Sache. Vgl. oben $ 34®.
® R.G. über die Rechtsverhältnisse der zum dienstlichen Gebrauch einer
Reichsverwaltung bestimmten Gegenstände vom 25. Mai 1873 88 10—12.