Full text: Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechtes.

II. Staatsvermögen. $ 216. 
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II. Staatsvermögen. 
1. Kammergut und Staatsgut'. 
8 216. 
Das landesherrliche Kammergut, das früher die Grund- 
lage der Finanzverwaltung bildete, hat seinen eigentümlichen Charakter 
und seine besondere Stellung länger bewahrt. Die Umgestaltung 
seiner Rechtsverhältnisse ist nicht durch eine allmähliche Umbildung 
der Rechtsanschauungen, sondern durch bestimmte gesetzgeberische 
Akte erfolgt. Diese Regelung hat allerdings in den verschiedenen 
deutschen Staaten in sehr verschiedenem Sinne stattgefunden. In 
den größeren Staaten sind die Domänen, wie man das Kammergut 
seit dem 18. Jahrhundert zu nennen pflegte, für Staatseigentum 
  
ı Vgl. Meyer-Anschütz $ 9 (Literatur daselbst Note, 4), — Rintelen, 
Art. Domänen H.W.B.? 8, 513. — Im Mittelalter bildete das landesherrliche 
Kammergut die Grundlage der Finanzverwaltung. Es bestand zum Teil aus 
Grundbesitzungen, welche die landesherrlichen Familien schon vor Erwerb der 
Landeshoheit besessen hatten, zum Teil aus ehemaligen Reichsgütern, die als 
Pertinenzen der Reichsämter auf die Landesherren in ihrer Eigenschaft als 
Reichsbeamte übergegangen waren. Im Laufe der Zeit wußten die Landes- 
herren diesen Grundbesitz erheblich zu vergrößern, durch privatrechtliche 
Erwerbstitel, Erbschaft, Kauf, Verpfändung, durch die namentlich auch der 
ößte Teil der Reichsbesitzungen allmählich in ihre Hände überging, zum 
eil durch Säkularisationen von Stifts- und Kirchengut, die in Veranlassung 
  
  
der Reformation und des R von 1803 in um- 
fassender Weise erfolgten. 
Dem Landesherrn trat das Corpus der Landstände gegenüber, das 
aus den Vertretern der privilegierten Stände des Landes bestand. Es hatte 
den Charakter eines besonderen persönlich berechtigten Subjektes, das mit dem 
Landesherrn durch eine Reihe von einzelnen Rechten und Pflichten verbunden 
war. Wenn die Einkünfte des Kammergutes zur Bestreitung der Kosten des 
Hofhaltes und der Landesverwaltung nicht ausreichten, so trat der Landesherr 
mit Steuerforderungen hervor. Die Steuern wurden von den Landständen be- 
willigt, denen auch deren Erhebung und Verwaltung zustand. So entstand 
neben dem Kammergute ein zweiter Vermö enskomplex, das Landesvermögen, 
d. h. die landschaftliche Steuerkasse und die mit deren Mitteln erworbenen 
Güter. Dieses Landesvermögen befand sich aber ebenfalls nicht im Eigentum 
des Territoriums, sondern gehörte der Korporation der Landstände. 
Allmählich kam in den deutschen Territorien der Staatsgedanke zum 
Durchbruch. Man fing an, das Land als ein Gemeinwesen, Landesherrn und 
Landstände als dessen Organe zu betrachten. Damit war auch die Möglichkeit 
gegeben, die bisher den Zwecken des Landes dienenden Vermögenskomplexe 
als Staatsvermögen aufzufassen. Da das Landesvermögen lediglich für 
öffentliche Zwecke verwendet wurde, während das Kammergut auch’ den persön- 
lichen Bedürfnissen des Landesherrn diente, so machte sich die neue Auf- 
fassung bei jenem früher als bei diesem geltend. Namentlich war das in den 
Territorien der Fall, in denen die landständischen Rechte völlig vernichtet 
wurden und damit hörte das landständische Corpus selbst zu existieren auf. 
Aber auch in den Territorien, in denen die Landstände sich erhielten, gewöhnte 
man sich allmählich daran, die früher als Eigentum der Stände behandelten 
Vermögenskomplexe als Staatseigentum zu betrachten. Eine Folge dieser ver- 
änderten Auffassung war, daß ihre Verwaltung von den Landständen auf die- 
Staatsfinanzbehörden überging. . 
Meyer-Dochow, Deutsches Verwaltungsrecht. 3. Aufl. 40
	        
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