Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVI. Das öffentliche Recht des Reichslandes Elsaß-Lothringen. (26)

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Zweiter Teil. 
Die Verfassung Elsaß-Lothringens und die 
Behördenorganisation. 
Erster Abschnitt. Gebiet und Bewohner. 
Erstes Kapitel. 
§ 5. Das Land. I. Die natürlichen Grundlagen eines Landes bilden regel- 
mäßig sein Gebiet, d. h. ein abgegrenzter Teil der Erdoberfläche, und seine Bewohner 1. 
Beide Erfordernisse bilden zugleich unerläßliche Voraussetzungen des Staatsbegriffs. 
Trotz Vorliegens dieser natürlichen Grundlagen ist Elsaß-Lothringen kein Staat, es gibt 
daher auch kein elsaß= lothringisches Staatsgebiet; Elsaß-Lothringen ist vielmehr als 
Stück des Reichsgebietes lediglich ein geographischer Begriff, unter dem man zwei ihrem 
historischen Entwicklungsgang nach ganz verschiedene Landesteile, Elsaß und Lothringen 
zu dem einheitlichen Begriff des Reichslandes zusammengefaßt hat?. 
Da es sich sonach nicht um ein besonderes Staatsgebiet handelt, kann auch von 
einer elsaß-lothringischen Gebietshoheit keine Rede sein, d. h. es existiert keine von 
der Reichsgewalt verschiedene Staatsgewalt, die eine Herrschaft an diesem Gebiet von 
öffentlich-rechtlichem Inhalt in sich schlösse 3 Die Gebietshoheit, die sich ähnlich wie 
das Eigentum, nach einer positiven und nach einer negativen Seite äußert, nämlich 
einmal in der Ausschließung jeder anderen gleichgestellten Staatsgewalt, und ferner in 
der Befugnis, das Territorium in unbeschränkter Weise für die Staatszwecke zu ver- 
wenden, steht nur dem Reiche zu. Während aber im übrigen Reichsgebiet eine 
doppelte Gebietshoheit besteht", ähnlich wie auch eine doppelte Untertanenhoheit, indem 
nämlich die einzelnen Bundesstaaten ihre Gebietshoheit soweit behalten haben, als 
ihnen Herrschaftsrechte geblieben sind, ist die Gebietshoheit des Reiches über das 
Reichsland eine unmittelbare. Dies erweist sich nach zwei Richtungen hin als bedeutsam: 
Nur das Reich könnte staatsrechtlich wirksame Verfügungen über das Reichsland vor 
nehmen, sei es, daß es das Reichsland unter die deutschen Bundesstaaten verteilt, sei 
es, daß es dasselbe an einen auswärtigen Staat abtritt. Das Reichsland selbst ist 
zu einer derartigen Gebietsveränderung, und wäre es auch nur eine Grenzverschiebung, 
nicht in der Lage". Mit dieser dem Reiche zustehenden Gebietshoheit ist für das 
1 Das Gebiet des Reichslandes umfaßt eine Fläche von 14 511,2614 qkm oder 263.544 geogr. 
Meilen. Statist. Handb. f. E.-L., hrsg. v. statist. Bur. d. Min. S. 1. — Die Bevölkerungszahl 
für das Jahr 1910 betrug: 1 874 014 Bewohner (das ganze Reich zählte um die gleiche Zeit: 
64 551 000 Bewohnert. 
* Der vielfach gebrauchte Ausdruck „Die Reichslande“ ist aber unrichtig. 
s Laband 15 S. 190. 
« * Die Kompetenzgrenze zwischen Reich und Einzelstaat ist zugleich die Grenze, welche die 
Gebietshoheit des Reiches am Reichsgebiet von der Gebietshoheit der Staaten am Staatsgebirt 
scheidet. Laband a. a. O. 
Z * Die deutschen Einzelstaaten dagegen — und darin zeigt sich ihre Gebietshoheit — können 
innerhalb des Reichsgebietes Gebiets- und Grenzänderungen vornehmen, ohne daß es einer 
Fischbach, Elsaß Lothringen. 2
	        
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