Einleitung. XV
Auch der usus modernus pandectarum des 17. und 18. Jahr-
hunderts, welcher nicht ohne Erfolg bemüht gewesen ist, auf
dem Wege der Wissenschaft und der Rechtspflege durch Ver-
einigung des römischen und des deutschen Rechtsstoffs ein ein-
heitliches gemeines Privatrecht für Deutschland zu schaffen, hat
sein Ziel nicht voll erreicht.
Und als nun mit der Wende des 18. zum 19. Jahrhundert
dem Bedürfnisse nach modernen Gesetzbüchern nicht vom Reiche,
sondern wiederum auf dem Wege der Partikulargesetzgebung
seitens der größeren deutschen Staaten (Bayern, Preußen,
Osterreich) entsprochen wurde, und als fast gleichzeitig die ein-
dringende französische Gesetzgebung große deutsche Gebiete dem
gemeinen Rechte dauernd entzog 1), da war jede Aussicht ge-
schwunden, lediglich auf dem Wege wissenschaftlicher Pflege des
gemeinen Rechts zu einem einheitlichen, den Bedürfnissen der
Gegenwart entsprechenden deutschen Privatrecht zu gelangen,
wenn es auch der deutschen Rechtswissenschaft zu unvergänglichem
Ruhme gereicht, bis auf die Gegenwart ihre Einheitlichkeit auf
der Grundlage des gemeinen Rechts bewahrt zu haben.
Das, hatte schon Thibaut im Gegensatze zu seinem
großen Widersacher Savigny erkannt, als er im Jahre 1814
ein von allen deutschen Regierungen mit vereinten Kräften zu
schaffendes Gesetzbuch für ganz Deutschland forderte.
Aber erst das neuerrichtete Deutsche Reich hat 82 Jahre
später diese unablässig wiederholte Forderung erfüllt.
Durch das Reichsgesetz vom 20. Dezember 1873 wurde
die Zuständigkeit der Reichsgesetzgebung, welche nach Art. 2
der Reichsverfassung den Landesgesetzen unbedingt vorgeht, auf
das gesamte bürgerliche Recht erstreckt.
Eine durch Beschluß des Bundesrats vom 28. Februar
1874 berufene, aus fünf praktischen Juristen bestehende Vor-
kommission gab unter dem 15. April 1874 ein Gutachten ab,
in welchem über Plan und Methode bei Aufstellung des Ent-
—
1) Das bayerische Landrecht von 1756 beließ dem gemeinen Recht
noch seine subsidiäre Geltung. Dagegen wurde diese beseitigt durch das
preußische Allgemeine Landrecht von 1794, das österreichische Allgemeine
bürgerliche Gesetzbuch von 1811, den code civil von 1804, das badische
Landrecht von 1809 und das sächsische Bürgerliche Gesetzbuch von 1863.