22 $ 2. Trennung der Gewalten.
lediglich ein Element für die Findung des Urteils über die Haupt-
frage. Diese allein bildet den Streitgegenstand. Nur über sie
wird rechtskräftig entschieden.”® Die Entscheidung über die Vor-
fragen nimmt an der Rechtskraft nicht teil.” Diese Lösung wird
und Verwaltungsgerichte selbständig zu prüfen, ob eine (steuerfreie)
Schenkung vorliegt; bei der Erhebung der Wertzuwachssteuer haben sie
zu prüfen, ob ein FEigentumsübergang im Sinne des BGB. stattgefunden
hat u. a. m. Preuß. Verw.-Bl. XXXIV 586, 702; Entscheidungen des
Preuß. OVG. Bd. 60, S. 141. Weitere Beispiele bei Soergel I (1907/08)
S. 485486; 531 Nr. 6; 532 Nr. 10.
36 ZPO $ 322, Abs. 1: „Urteile sind der Rechtskraft nur insoweit
fähig, als über den durch die Klage oder durch die Widerklage erhobenen
Anspruch entschieden ist.‘“ Betr. Abs. 2 (Aufrechnung einer Gegen-
forderung im Verwaltungsstreitverfahren), s. ein Urteil des badischen
Verwaltungsgerichtshofs v. 11. Juni 1907 bei Reger XXVIII 2863.
3” So sagt das Badische Gesetz vom 14. Juni 1884, die Verwaltungs-
rechtspflege betreffend, $ 1, Abs. 2: „Die Entscheidung (der Verwaltungs-
gerichte) ergeht unbeschadet aller privatrechtlichen Verhältnisse.‘ Vgl.auch
die analoge Bestimmung im Preuß. Gesetz über die allgemeine Landes-
verwaltung (‚„Landesverwaltungsgesetz‘‘) v. 30. Juli 1883, $ 127 a. E. —
Bei dieser Ordnung der Kompetenzverhältnisse ist es möglich, daß ein
und dasselbe Rechtsverhältnis von Justiz und Verwaltung verschieden
beurteilt wird. Beispiele: a) Die Polizei schreitet gegen einen Wirt, der nach
ihrer Auffassung keine Schankkonzession besitzt, mit Ungehorsamsstrafe
(s. unten $ 13) ein und überweist ihn gleichzeitig dem Strafrichter zur
Bestrafung gemäß Gew.O. $ 147 Ziff. 1. Der Strafrichter findet jedoch,
der Angeschuldigte besitze eine rechtsgültige Konzession und spricht frei.
In diesem Fall besteht sowohl die Entscheidung der Justiz-, wie die der
Verwaltungsbehörde zu Recht. Keine Behörde hat die Macht, die Ent-
scheidung der andern aufzuheben. Urteil des Preuß. Oberverwaltungs-
gerichts v. 19. Mai 1897 (Entscheidungen Bd. 32, S. 290). — b) Das Straf-
gericht bestraft die Veranstalter einer Versammlung wegen Unterlassens
der Anzeige ($ 5 u. 18 des Reichsvereinsgesetzes von 1908), weil es die
Versammlung für eine öffentliche hält. Unabhängig vom Strafverfahren
geht die Beurteilung der von den Veranstaltern erhobenen Beschwerde
(Klage vor den Verwaltungsgerichten) einher, die sich gegen die un-
zulässige polizeiliche Überwachung der erwähnten Versammlung richtet.
Hier haben die Verwaltungsgerichte selbständig und unabhängig vom
Strafgericht zu entscheiden, ob nach ihrer Auffassung die Versammlung
eine Öffentliche gewesen ist. Preuß. Oberverwaltungsgericht v. 7. Oktober
1910 (Preuß. Verw.-Bl. XXXII 729). c) Die Steuerbehörde hat frei zu
prüfen, ob eine Steuerhinterziehung vorliegt; daß im Strafverfahren eine
Freisprechung wegen des Vergehens der Steuerhinterziehung erfolgt
ist, bindet die Steuerbehörde und den Verwaltungsrichter nicht. Preuß.
OVG. 15. März 1912 (Entscheidungen Bd. 62, S. 326). — Die Unabhängig-