Full text: Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts.

40 $ 3. Geschichtliche Entwicklung des deutschen Verwaltungsrechts. 
Beide haben eine aktive und eine passive Seite. Der Ober- 
herr hat nicht bloß Rechte, sondern auch Verbindlichkeiten, 
und der Untertan hat nicht bloß Verbindlichkeiten, sondern 
auch Rechte.‘ So charakterisierte der württembergische Jurist 
Carl v. Pfizer im Jahre 1828 die eingetretene große Wand- 
lung.”® 
Mit dem Sieg dieser Auffassung war jedoch in keinem deutschen 
Staate eine durchgreifende Reorganisation der Verwaltung und 
eine Errichtung besonderer, mit Verwaltungsrechtsprechung be- 
trauter Behörden verbunden. In diesem Moment — dem Fehlen 
ausreichender Rechtsschutzorgane auf dem Gebiet der öffent- 
lichen Verwaltung — liegt die Erklärung dafür, daß die Entwick- 
lung des Verwaltungsrechts in Deutschland in ganz andere Bah- 
nen gedrängt wurde als in Frankreich. Wohl versuchte eine 
Richtung in der wissenschaftlichen Literatur,?” der Vorstellung 
Eingang zu verschaffen, das öffentliche Recht werde von Ver- 
waltungsbehörden ebensogut behütet, wie von Gerichten. Denn 
die Tätigkeit des Verwaltungsbeamten unterscheide sich in 
nichts von der des Richters; beider Aufgabe sei die Gesetzes- 
anwendung. Aber die öffentliche Meinung und die Theorie 
kamen nicht darüber hinweg, daß die Verwaltungsbehörden 
bei der Entscheidung von Streitigkeiten zwischen der öffent- 
lichen Verwaltung und dem Bürger in eigener Sache urteilten, 
und daß ihnen die richterliche Unabhängigkeit fehle. Sie er- 
hoben deshalb gebieterisch den Ruf nach einer von der Ver- 
waltung unabhängigen gerichtlichen Instanz zur Beurteilung der 
„administrativ-contentiösen Sachen‘ (vgl. darüber unten $ 15). 
Um so weniger war daher die Praxis gewillt, den Schutz durch 
unabhängige Gerichte für jene Gebiete preiszugeben, für die ein 
solcher bereits bestand. So kam es, daß alle die Streitsachen, 
welche die Fiskustheorie der Justiz unterstellt hatte, Justiz- 
sachen blieben. Das Zivilrecht lieferte auch fernerhin die Normen, 
nach denen diese Rechtsverhältnisse beurteilt wurden. 
Unmerklich und langsam vollzog sich jedoch eine Wandlung 
des Fiskusbegriffs. Mit der Aufrichtung einer geschlossenen, ein- 
26 Carl v. Pfizer, Über die Grenzen zwischen Verwaltungs- und 
Civil-Justiz, 1828, S. 18. 
27 Vgl. besonders G.L. Funke, Die Verwaltung in ihrem Verhältnis 
zur Justiz, 1838, insbes. S. 124ff., 143.
	        
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