$4. Verwaltungsrecht. 51
ob ein Rechtsverhältnis dem Privatrechte oder dem öffentlichen
Rechte untersteht, ist von folgenden Grundsätzen auszugehen.
Vor allem ist der Text der Gesetze zu Rate zu ziehen. Sobald
das Gesetz selbst ein Rechtsverhältnis zu einem öffentlichrecht-
lichen oder privatrechtlichen gestempelt hat, ist die Streitfrage
entschieden. Im Deutschen Reich ist hierfür in erster Linie maß-
gebend das Reichsrecht. Dieses hat für ganze Verwaltungsteile
(Gewerberecht, Arbeiterversicherungsrecht usw.) besondere Nor-
men öffentlichrechtlicher Natur ausgebildet. Andrerseits hat es
die im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelten Beziehungen als privat-
rechtliche Verhältnisse charakterisiert.!! Derselbe Vorgang wieder-
holt sich im Landesrecht. Es sei insbesondere daran erinnert,
daß das Bürgerliche Gesetzbuch zahlreiche Materien, — ins-
besondere solche, bei denen die Grenzen zwischen Privatrecht
und öffentlichem Rechte flüssig sind — dem Landesrecht vor-
behalten (EG. zum BGB. Art. 56—152) und diesem damit freie
Hand gelassen hat, sie nach seinem Belieben öffentlichrechtlich
oder privatrechtlich auszugestalten.
Dieser Rahmen bleibt jedoch häufig unausgefüllt, entweder weil
die vorhandenen Vorschriften eine ausdrückliche Verweisung
eines Rechtsverhältnisses in das eine oder andere Rechtsgebiet
überlassen. Für den einen Landesgesetzgeber kann nun die Erwägung
maßgebend sein, die Klage auf Rückerstattung zu viel bezahlter Steuern
ziele darauf ab, den Umfang der Steuerpflicht feststellen zu lassen;
die Rückerstattung sei selbstverständliche Folge, sobald ausgesprochen
werde, in concreto habe eine Steuerpflicht in dem vom Staate be-
haupteten Umfange nicht bestanden. Behandelt der Gesetzgeber das
Verhältnis unter diesem, m. E. richtigen, Gesichtspunkt, so gehört es dem
öffentlichen (Steuer-) Recht an. — Geht man dagegen von der Annahme
aus, der zu viel bezalılte Betrag sei kein Steuergeld, weil keine Steuer-
pflicht bestanden habe, so erscheint die Rückforderung als eine zivilrecht-
liche condietio indebiti. Das Bedenken nach dem Umfang der Steuer-
pflicht wird in diesem Fall lediglich als eine öffentlichrechtliche Vor-
frage aufgefaßt, über die der für die Hauptsache zuständige Zivilrichter
nach bekannten Grundsätzen (oben S. 20) erkennen darf.
ıı 2. B.: Die Schadenersatzpflicht des Beamten bei Verletzung seiner
Dienstpflicht (BGB. $ 839). Ferner: Die Hypothek zur Sicherung einer
öffentlichrechtlichen Forderung kann nur als zivilrechtliche Sicherungs-
hypothek eingetragen werden. (EG. zum BGB. Art. 91) u.a. m. Vgl.
dazu Endemann, Lehrbuch des Bürgerl. Rechts I $ 7.
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